Nur ein warmer Hauch und eine schemenhaft menschlich wirkende Wolke blieben von dem zerstörerischen Tornado übrig. Tapo erschrak, als die säuselnde Fistelstimme erneut einsetzte. „Ich kenne dich Fischer. Ohne mich hättest du die Insel nicht gefunden und diese Reise nie begonnen. Hätte ich den Nebel nicht hinweggefegt, würdest du immer noch jeden Tag auf deinem Kahn herumdümpeln.“, sprach sie etwas spöttisch und selbstgerecht. Tapo dachte nach. Sein Besuch auf der Insel war keine Überraschung für Yaya und ihre Leute gewesen, sie hatten ihn erwartet. Hatte der Wind es ihnen geflüstert?
„Kommt, ich zeige euch, wohin der Herr des Feuers die Prinzessin verschleppt hat. Allein ist es mir unmöglich, sie zu befreien, nur ein Mensch, der an sie glaubt, kann das schaffen.“, lockte der Schemen die Menschen. Tayemma und der Steinvater stellten sich schützend vor die Sterblichen und wandten sich an den Windgeist. „Deinen Launen geben wir nicht nach, auch wenn du Gründe für dein Vorgehen hast. Du hattest uns den Rücken zugekehrt und dem Feuer dabei geholfen, die Prinzessin einzusperren. Nun willst du helfen? Wie können wir dir noch trauen?“, stellte die Mutter des Lebens das andere göttliche Wesen zur Rede.
Zischend schrumpfte die Wolke, klimpernd fiel dabei eine Art weißer Kern auf den hellen Steinboden. Seufzend und leise, mit weinerlichem Ton flüsterte der Windgeist: „Ich hatte mich dem Feuerherrn angeschlossen, um euch den Weg zu ebnen, wenn es an der Zeit ist, die Befreiung der Prinzessin anzugehen. Er sollte keinen Verdacht schöpfen und sich sicher fühlen. So gingen viele Sonnenläufe ins Land, ehe ich alles in die Wege leiten konnte. Die Erdelementare halfen mir, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Nun seid ihr hier.“ Alle Blicke richteten sich auf den Ahnen der Danamec, nachdem alle vernommen hatten, was der Windgeist erzählt hatte. Der Steinvater wirkte ertappt und beschämt als er auf die stummen Fragen eine Antwort suchte. „Ja, ich hatte mich zurückgezogen, um ihm zu helfen, gegen den Feuerlord vorzugehen. Es sollte möglichst unbemerkt vonstattengehen, deshalb machte ich mich rar. Also schickte ich meine Boten zur Insel, als ich das Zeichen bekam, dass der Auserwählte sie erreicht hatte.“, gab der verkleinerte Erdriese geknickt zu. Die Zwerge nickten, die Menschen erhoben in verzeihender Geste ihre Hände, nur Tayemma schaute beide anderen Elementarherren mit sehr ernstem Blick an. Mit gespielt erboster Stimme wetterte sie: „Ihr Geheimniskrämer, ihr hättet mich einweihen sollen. Ach was soll es, retten wir endlich die Prinzessin!“
Bedächtig erhob sich der Kern des Windwesens wieder in die Höhe und die Luft geriet erneut in Bewegung, aber nur ein warmer Hauch umspielte die Anwesenden, der sie sanft auf die andere Seite des Amphitheaters zog. Tapo, der Steinvater und die Mutter des Lebens folgten dem Luftzug mit zügigen Schritten, hinter ihnen reihten sich erst die drei Bahiq und dahinter die sieben Siebenschaften der Danamec ein. Wie auf eine Schnur gefädelt zogen sie über das Dioritpflaster durch das Tor.
Die Farbe des Gesteins wechselte zu dunkleren Tönen, auch die Architektur wirkte weniger filigran, sondern eher rustikal und bedrohlich, denn kaum hatten sie das Amphitheater hinter sich gelassen, durchquerten sie einen düsteren Tunnel mit schroffen Wänden. Nur unscheinbar glitzerte feiner Glimmer als schwaches Spiegelbild der nun fernen Feuerfontänen, das immer mehr verblasste. Den Zwergen machte die Dunkelheit nicht viel aus, doch die Bahiq fühlten sich unwohl so tief unter der Erde. Ganeg zerriss der Ärmel seines Gewandes, als er an die scharfen Kanten der Tunnelwand stieß. Yalima und Farai stolperten mehr voran, denn zügig zu gehen war ihnen nicht möglich. Die Götterwesen drängten gemeinsam mit Tapo durch den Gang, dessen Ende nicht mehr weit entfernt zu sein schien, denn kühle Luft und graublaues Licht kündigten neues Terrain an.
Der natürlich wirkende Tunnel endete abrupt, erschrocken hielten die Anführer inne und betrachteten, was sich ihnen darbot. Umgeben von einer umschließenden Felswand, die glatt und unüberwindbar anmutete, stand eine graue Stufenpyramide auf einer glatten Fläche aus hellem Blau. War es Wasser oder Eis? Denn kalt und hart blies der Wind Tapo und allen anderen in die Gesichter. „Der Tempel der blauen Sande. Der Feuerlord hat ihn von der Welt getrennt und versiegelt. Die Prinzessin lebt darin und kann ihn nicht verlassen.“, erklärte pfeifend der Windgeist. Farai machte vorsichtig einen Schritt aus dem Gang heraus auf die weiß-blaue Fläche, wobei es unter seinen Füßen leise knisterte. Irritiert zog er sich wieder zurück.
Tapo, der in Gedanken versunken gewesen war, wendete sich an den Steinvater: „Ist es dir möglich, eine Brücke bis zu dem Tempel zu spannen?“ Der Gebieter von Stein und Erde nickte, konzentrierte sich. Blöcke lösten sich aus der Felswand, klatschten und krachten vor dem Tunnel in das von Eis bedeckte Wasser und formten einen Weg hin zu der Stufenpyramide. Aus dem Himmel schossen plötzlich Feuerkugeln auf die Eisfläche und auf den entstehenden Pfad. Der Windgeist versuchte die Lavabrocken hinfort zu schleudern, konnte aber nicht alle abwehren. Ein kehliges Lachen ertönte, das den gesamten Talkessel erfüllte. „Ihr seid hier. Brüder, Schwester und eure Kinder. Willkommen zum Familientreffen. Ich sperre euch in die Pyramide, zur Prinzessin, dann kann ich diese Welt endlich von euren Spuren säubern.“, hallte eine hämische Stimme durch die Luft. Der Feuerlord stand einer brennenden Statue gleich oben auf dem Felsring und schaute spöttisch auf die Eindringlinge herab.
Felsbrocken, die der Steinvater zum Bau des Weges hatte nutzen wollen, flogen unvermittelt in die Richtung des lodernden Schemens. Der Windgeist verstärkte ihre Wucht, als er verstand, was der Erdriese vorhatte. Tayemma rannte mit Tapo über die verbliebenen Steine, den Rest des Weges bis zu den untersten Stufen des Gebäudes schob sie den Mann mit kräftigen Ranken, die ihren Armen entwuchsen, über das eisige Wasser. Dann half sie ihren Brüdern, indem sie mit ihren Füßen das Wasser unter ihr einsog und aus den blühenden Ranken heraus auf die feurige Gestalt spritzte. Das Wasser verdampfte sofort, aber die Intensität der Flammen nahm langsam ab. Gemeinsam zwangen sie den Feuerlord in die Knie, der sich des Angriffes bald nicht mehr erwehren konnte.
Kommentar schreiben