10. Marsch im Regen

Beladene Kamele und Pferde sind mit ihren Reitern auf einem Pfad unterwegs. Links von ihnen ragt eine Felswand hinauf, rechts ist ein Waldstreifen mit Nadelbäumen, wo ein Bach parallel zum Weg fließt. Erstellt mit Microsoft Designer.
Eine Karawane zieht durch die Berge (KI-generiert)

 

Beim gemeinsamen Essen abseits der Holzhäuser unterhielten sie sich, wie sie es bei jeder Rast am Ende des Tages taten. Doch diesmal war es anders, denn keiner der vier war jemals weiter von der Heimat entfernt gewesen, als an jenem Ort. Farai, der als einziger in der Runde diesen Wald schon einmal bereist hatte, teilte seinen Freunden mit, was ihm über diese Region bekannt war. „In der Schenke hatte ich die Leute nicht nur um einem Lagerplatz gebeten, sondern auch nachgefragt, was hinter dem Wald liegt. Von Norden her kommt ein Bachlauf, der durch sumpfiges Gebiet rinnt, seinen Ursprung hat er in einem hohen, schneebedeckten Gebirge. Wenn wir nach Osten gehen, reiten wir durch bewaldetes Terrain an den Bergen entlang, bis sie in einem kalten Flachland auslaufen. Nördlich davon beginnen die blauen Sande, wo es sehr kalt sein soll.“, berichtete er. Yalima machte sich darüber Gedanken und teilte dann ihre Idee mit: „Wenn es immer kälter wird, je weiter wir kommen, werden wir wärmere Kleidung benötigen. Wir können Pelze von den Einheimischen erwerben und unsere Gewänder damit aufwerten.“ Die drei Männer waren einverstanden und alle stießen mit ihren Teebechern an, um den Vorschlag zu besiegeln.

 

Am Morgen ging Farai nochmals zu den Jägern und Holzfällern, wo er ein paar Edelsteine gegen Felle und Verpflegung eintauschte. Ganeg, Yalima und Tapo bauten derweil das Lager ab und verstauten alles auf den Tieren. Gemeinsam entschieden sie sich für den westlichen Weg, der ihnen weniger strapaziös erschien. Ein schmaler Pfad, auf dem sie nur hintereinander reiten konnten, schlängelte sich durch den von Nadelbäumen beherrschten Wald. Wolken verdeckten seit der Frühe die Sonne und gegen Nachmittag begann es in Fäden zu regnen. Der Weg wurde matschig, der unweit entlang plätschernde Bach füllte sich und schäumte auf. Der Wind nahm zu, spie der Gruppe die Regenfäden hart ins Gesicht und durchtränkte ihre Kleidung bis auf die Haut. Bald war ein Vorankommen nicht mehr zu denken, alle stiegen von ihren Reittieren ab und suchten verzweifelt nach Schutz vor dem Unwetter. Von den festgezurrten Körben und Rollen, die vor allem die beiden Kamele trugen, rann in Rinnsalen das Wasser herunter.

 

Unter einem Felsüberhang machten sie kurz Halt, um ihre Lage zu besprechen. „Wir müssen weiter, vielleicht finden wir irgendwo nahe der Felsen einen Unterschlupf, ähnlich wie diesen.“, meinte Yalima. Zu Fuß, die Tiere im Schlepptau tasteten sie sich langsam durch Regen und Matsch voran. Wie viele Stunden sie durch das ungemütliche Wetter zogen, konnten sie nicht erahnen, aber es kam ihnen sehr lang vor. Tapo entdeckte als erster die Holzkonstruktion, die aus dem Berg ragte und eilte darauf zu. Ein schmaler Schacht führte in den Felsen hinein, gestützt von schweren Balken. Der Boden wirkte ausgetreten. Die Menschen mussten gebeugt gehen, um nicht mit den Köpfen an die Decke zu stoßen. Die Tiere passten gar nicht hinein. Ganeg blieb bei ihnen, während die anderen die Gänge mithilfe von Öllampen erkundeten.

 

Die Gewänder trockneten nur langsam und klebten ihnen auf der Haut, aber wenigstens waren sie nun im Trockenen. Auf den hölzernen Versteifungen der Stollen entdeckte Farai Zeichen mit unbekannter Bedeutung, vermutlich eine Schrift. Der Tunnel war geradewegs, ohne eine Abzweigung, in den Berg getrieben worden und zog sich über eine große Strecke hin. Erzadern blinkten im Schein des fahlen Lichtes aus den Öllampen. Plötzlich hörten sie vor sich in einiger Entfernung ein Rumpeln und Schleifen. Langsamer als bisher wagten sie sich vorwärts und beobachteten den Tunnel. Yalima löschte ihr Licht, Tapo und Farai taten es ihr gleich. Nach einem Moment der Gewöhnung fiel ihnen auf, dass es am Ende des Ganges nicht dunkel war, sondern ein grünlicher Schein mehrere Schritte vor ihnen einen breiteren Abschnitt des Tunnels erhellten. Unverständliche Stimmen erreichten die Ohren der drei, als die mechanischen Geräusche ein Ende fanden. Zwei bärtige Männlein, breiter als ein gewöhnlicher Mensch, aber so klein, dass sie aufrecht durch die Stollen gehen konnten, standen an einer Vorrichtung, die einem Seilzug nahekam. Sie unterhielten sich mit kräftiger Stimme und achteten nicht auf den Durchgang hinter ihnen. Erst als die drei Reisenden den Raum erreichten, wurden die Bergbewohner auf sie aufmerksam und schauten sie verwundert an. In ihren Händen hielten die kleinen Wesen scheinbar Werkzeuge.

 

Farai fasste Mut und sprach die beiden Kerle an, ohne zu wissen, ob sie ihn verstehen würden. „Wir haben Schutz vor dem Unwetter draußen gesucht und haben diesen Ganz gefunden, der uns tief in den Berg hinein führte. Nun sind wir auf euch getroffen.“, sagte er wahrheitsgemäß. Der Kerl mit dem dunkleren Bart nickte. Mit schwerem Akzent begann er zu reden: „In Ordnung. Ruht euch aus. Zieht weiter, wenn der Himmel wieder ruhig ist. Braucht ihr Hilfe?“ Seine schwerfällige, schnarrende Aussprache war nicht leicht zu verstehen, aber er sprach eindeutig die Sprache der Nomaden. Yalima schaute den Sprecher mit zusammengekniffenen Augen an. „Seid ihr jene, die wir Danamec nennen, die Leute im Berg?“, fragte sie. Der Bärtige nickte abermals, in seinem Gesicht zeigte sich ein breites Lächeln. Zu seinem Kameraden sagte er etwas in ihrer Sprache und beide lachten herzlich. „Ja, wir sind die Danamec. Nennt mich Hori. Können wir helfen?“, bestätigte er und bot seine Dienste nochmals an. Tapo war fasziniert von den kleinen dicken Leuten, die innerhalb der Berge zu leben schienen. Nie zuvor hatte er von ihnen gehört, ihre Hilfe nahm er aber gern an und beide begleiteten die drei Fremden zum Eingang der Mine, wo Ganeg mit den Tieren auf sie wartete. Er schaute recht verdutzt, als seine Freunde mit den Danamec erschienen. „Bei den Erdgeistern!“, rief er aus und verstummte abrupt.

 

„Eure Tiere bringt Nogil zum anderen Mineneingang, da ist mehr Platz für sie. Euer Gepäck wird hinunter gebracht. Ihr kommt mit mir, seid unsere Gäste.“, entschied Hori, der sich bemühte verständlich mit den Bahiq zu sprechen, auch wenn es ihm sichtlich schwerfiel. Für die vier Reisenden ging es mit dem Danamec zurück zu dem Raum, in dem aufeinandergetroffen waren.

 

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