Tapo verstand die Umstände, doch immer noch fühlte er sich, als hätte man ihn wie einen Esel unfreiwillig vor einen Karren gespannt und mit einer Rübe gelockt. Sein Versprechen wollte er trotzdem nicht brechen und beschloss, der Aufgabe weiterhin nachzugehen. Allem in ihm widersprach es, die Prinzessin und Yaya im Stich zu lassen. Mit neuem Selbstbewusstsein stand er auf und blickte ernst auf Puna herab. „Ich werde die Prinzessin befreien, auch wenn ich mich getäuscht fühle. Mein Wort gilt immer noch und ich werde mein Bestes tun, es einzulösen.“, versprach er der Alten und verließ mit langsamen, schweren Schritten den Raum.
Auf dem Platz hatten seine drei Begleiter auf Tapo gewartet, nun schauten sie ihren Freund fragend an. Stockend begann er zu reden: „An unserem Ziel hat sich nichts geändert. Ich bin nur enttäuscht, dass um die wahren Gründe ein Geheimnis gemacht wurde.“ Dann erzählte er wortgetreu, was er von Puna erfahren hatte. Die Bahiq versicherten ihrem Nelay, ihm zu folgen, wohin er sich auch wenden mochte. Damit bestätigten sie ihm die Freundschaft und seine Zugehörigkeit zum Stamm. Ihr Nachtlager errichteten sie außerhalb der Stadt, am nächsten Morgen zogen sie mit der aufgehenden Sonne im Rücken weiter. Von der Prinzessin hatte Tapo in jener Nacht nicht geträumt.
Ihre Tiere trugen die Reiter an einem Seitenarm des breiten Flusses entlang. Saftiges Gras und fleischige Stauden säumten das morastige Ufer. Die Umgebung erhob sich leicht und wandelte sich allmählich zu einer bewaldeten Hügellandschaft, die von einigen schmalen Bächen durchflossen wurde. „Morgen werden wir den letzten Ort erreichen, den ich fernab der Wüste noch kenne.“, bemerkte Farai mit wehmütigem Ton. „Weiter als bis dort war unser Volk nie vorgedrungen, alles was dahinter liegt, kennen wir nur aus Erzählungen unserer Handelspartner.“ Eine Weile noch trotteten sie in Gedanken versunken voran, bis Yalima ein melancholisches Lied anstimmte.
„Fern der Heimat, nicht allein,
In Mutters Schoß behütet fein.
Die Wiege fern, ihr Schaukeln nah,
Das Leben spüren, am Wasser klar.
Das Ziel in Sicht, mit Mut voran,
Im Herzen die Liebe, die Angst nehmen kann.“
Die Melodie klang noch lange in ihren Gedanken nach und alle vier Reiter summten sie bedächtig vor sich hin. Als vor ihnen die Sonne im Abendrot versank, machten sie halt und bereiteten sich auf eine weitere Nacht vor. Als das Lagerfeuer niedergebrannt war, begaben sich Ganeg und Farai zur Ruhe. Yalima leistete Tapo, der durch das Blätterdach nach oben schaute, noch Gesellschaft. Der fehlende Mond ließ die Sterne umso heller am Himmel blinken. „Wir finden die Prinzessin und setzen dem Wüten des Feuers ein Ende.“, sprach die Frau mit fester Stimme. Tapo drückte ihre Hand und nickte ihr zu.
„Unsere Legenden erzählen, dass meine Familie direkt von Tayemma abstammt. Sie ist demnach meine Ahnin und auch die Mutter aller Bahiq. Darfa soll einst eine blühende Stadt in einer fruchtbaren Gegend gewesen sein, bis Feuer und Wind sie zerstörten und unser Volk töteten. Die Überlebenden wurden heimatlos und begannen durch die sich ausbreitende Wüste zu streifen. Sie fanden sich mit ihrem Schicksal ab und wurden zu den Nomaden, die wir Bahiq heute sind. Immer wieder kehren wir zu dem Ort zurück, der uns genommen wurde. Nun ist er schon lange Zeit im Sand versunken und übrig blieb dieses eine Wasserloch in der Wüste. Wir haben daher allen Grund, mit dir zu ziehen.“, berichtete Yalima von der Geschichte der Bahiq.
Bald darauf wünschten sie sich eine gute Nacht und legten sich schlafen. Diesmal erschien die Prinzessin wieder in Tapos Träumen. Sie machte ein trauriges Gesicht und schaute ihn von ihrem Thron ernst an. „Ich konnte dir noch nicht alles erzählen. Ich hielt die Zeit dafür noch nicht gekommen. Nun kennst du die Geschichte von Puna und Yaya, die mich nicht beschützen konnten, als das Inferno über uns hereinbrach. Ich möchte nur, dass mein Volk wieder vereint wird und die Schwestern sich in die Arme schließen können.“, offenbarte sie Tapo ihre Beweggründe. Er lächelte die Göttin des Wassers an und zauberte auch ihr ein kleines Schmunzeln auf die Lippen. Sein Gram über die Geheimnistuerei war mittlerweile überwunden. „Bald haben wir es geschafft, der Weg ist nicht mehr weit. Wir werden dich befreien und das Feuer in die Schranken verweisen.“, sicherte er ihr zu, dann löste die Prinzessin sich aus Tapos Gedanken und ließ ihn schlafen.
Mit neuer Kraft begannen die vier Reiter den nächsten Tag und begannen nach einem kleinen Mahl die nächste Etappe ihrer Reise. Einmal kreuzte ein großer brauner Bär ihren Weg, der bald das Interesse an ihnen verlor und sich trollte. Nachmittags erreichten sie das Dorf, das Farai am Vortag erwähnt hatte. Nur ein paar Blockhütten bildeten die Siedlung, deren Bewohner von dem lebten, was der Wald und die Bäche hergaben. Pilze, Beerenfrüchte und Fleisch stellten ihre tägliche Nahrung dar und sie handelten mit den Fellen der erlegten Wildtiere. In der Schenke des kleinen Ortes roch es unangenehm für die Reisenden, die dort das Gespräch mit den Männern suchten, die das Sagen im Dorf hatten. Ganeg konnte ein paar glitzernde Steine gegen etwas Fleisch eintauschen, das sie abends am Feuer in einem Kessel mit aromatischen Kräutern kochten.
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