Die Nomadin weckte Tapo, als die Sonne sich gerade anschickte, den neuen Tag zu erhellen. Noch lag ein feiner Dunst über der Oase, den die warmen Strahlen schnell verschwinden ließen. Es herrschte Aufbruchstimmung. Die Leute bauten die Zelte ab und beluden ihre Pferde und Dromedare mit den Bauteilen. Wer sein Hab und Gut bereits versorgt hatte, half den anderen beim Verstauen ihrer Sachen. Da Tapo mit dem Leben unter den Bahiq noch nicht vertraut war, zeigten ihm seine neuen Freunde, was er tun musste. Bald war der gesamte Stamm marschbereit, der Anführer stellte sich auf seinem braunen Pferd vor die Leute und hielt eine kurze Ansprache.
„Der Nelay ist unter uns, wir haben ihn als Bruder aufgenommen. Nun lösen wir unser Versprechen an Tayemma ein und begleiten ihn zu seiner Prinzessin.“, waren seine Worte. Er ritt voraus, unter freudigem Geheul folgte ihm sein Volk der Sonne entgegen.
Der Zusammenhalt unter den Bahiq gefiel Tapo sehr. Nach einigen Tagen hatte er jedes Mitglied des Stammes kennengelernt und konnte sie trotz der einheitlichen Kleidung von einander unterscheiden. Sobald die Sonne im Untergehen begriffen war, hielt die Karawane an und die Nomaden errichteten ein provisorisches Nachtlager. In der Morgendämmerung brachen sie wieder auf und setzten die Reise fort. Es brauchte fast neun Tage, bis sie die Wüste durchquert hatten und das nordöstliche Bergland erreicht hatten. Auf dem breiten, flachen Rücken des Gebirges schmiegten sich Gebäude in das Bild der Felsen, als wären Stadt und Landschaft eine Einheit. Nur vereinzelte Türme verrieten menschlichen Einfluss. Die Farbe des Untergrundes wechselte vom eher gelben Sand zu einem ockerfarbenen Ton, der sich landeinwärts zu einem satten Braun wandelte. Täler, die in grauen Vorzeiten Wasser führten, durchschnitten die Hochebene wie ein Netz antiker Straßen. Von ihnen zweigten die Handelswege ab, die zur Felsenstadt hinauf führten.
Das dicke, leicht verwitterte Holztor wurde von zwei gerüsteten Kriegern bewacht, die kurz mit dem Stammesoberhaupt sprachen. Danach durfte die gesamte Karawane passieren. Der Ringwall, teils aus natürlichen Formationen bestehend, hatte nur wenige Zugänge und an jedem standen Wachen, die darauf achteten, wer die Stadt zu betreten gedachte. Der Zug der Nomaden, mit Pferden, Kamelen, Ziegen und Schafen, sorgte für einiges Aufsehen unter den Bürgern. Auf dem zentral gelegenen Marktplatz hielten sie an. Hier sprach der Anführer mit einem Vertreter der Stadt, der reichlich irritiert wirkte, die Bahiq aber willkommen hieß. Häuptling Zegal unterrichtete seinen Stamm über das weitere Vorgehen. „Wir werden hier unseren Marktstand aufbauen. Das Lager schlagen wir vor der Stadt auf der anderen Seite der Hochebene auf. Nach zwei Nächten ziehen wir weiter nach Westen.“, bestimmte er und die Leute machten sich ans Werk.
Tapo ritt mit dem Großteil des Clans an das andere Ende der für ihn riesig anmutenden Siedlung, wo ein anderes Stadttor auf die erwähnte Ebene mündete. Eine Wache war mit ihnen gekommen und wies ihnen den Platz für ihren Aufenthalt zu, daraufhin machten sich die Bahiq an den Aufbau der Zelte. Abends kamen Zegal und die Händler aus der Stadt in das kleine Zeltlager und berichteten bei einem Becher Tee über das Tagesgeschäft. Tapo fühlte sich bei den Nomaden schon sehr heimisch und bewunderte ihre besonnene Art, doch drängte es ihn weiter, der Prinzessin entgegen, die ihm immer wieder in seinen Träumen erschien. Sie machte ihm Mut und schürte sein Vertrauen in die Wüstenreiter, auch die Mutter des Lebens, Tayemma, bekräftigte ihn in seinem steten Tun. Jeder Schritt zählte und jede bewältigte Etappe bedeutete einen großen Fortschritt bei seiner Reise.
Am Morgen nach der zweiten Nacht im Schutze der Felsenstadt kam Zegal zu Tapo und sprach mit ihm: „Von hier an kann dich nicht mehr der gesamte Stamm begleiten, Nelay. Der Ruf der Mutter und unsere Geschäfte führen uns in unterschiedliche Richtungen. Doch wirst du nicht allein deinen weiteren Weg gehen müssen, denn ich gebe dir zwei meiner Reiter und Yalima zur Begleitung mit. Dazu erhaltet ihr ausreichend Proviant, um die nächste Siedlung ohne Hunger und Durst erreichen zu können.“ Tapo akzeptierte die Entscheidung des Stammesoberhauptes, auch wenn es ihn gefreut hätte, weiterhin im Tross der Karawane zu reisen.
Yalima und die drei Männer bauten mit den anderen Bahiq die Zelte ab und rüsteten ihre Gruppe mit den Vorräten aus. Zwei Dromedare und zwei Pferde sollten die Ausrüstung des kleinen Trupps tragen. Getreide, getrocknete Früchte und Trockenfleisch bildeten ihre Nahrungsgrundlage, ihre Kalebassen und Wasserschläuche waren prall gefüllt und wogen schwer.
Während die Karawane zurück in die Wüste zog, bewegte sich die Vierergruppe in südlicher Richtung voran und folgte einem der Wadis.
Die nächsten Tage und Nächte verliefen ereignislos, bald schien der Vollmond über den schroffen Bergen, die kein Ende nehmen wollten. Bei den Nachtwachen lösten sich die vier regelmäßig ab, eine Sanduhr half ihnen beim Bestimmen der Dauer ihres Dienstes. Tapo und seine Verbündeten kamen so zügig voran, dass sie noch drei Tage mit ihrem Proviant gereicht hätten, als die nächste Siedlung in Sicht kam. Aus Lehmziegeln gemauerte Hütten beherrschten das Bild des Dorfes, ein Marktplatz nahm die Mitte des Ortes ein. Ganeg und Farai, die beiden Reiter, die mit Yalima und Tapo unterwegs waren, übernahmen die Gespräche mit den Einheimischen. So konnte die Gruppe ihre Vorräte aufstocken und die Wasserbehälter auffüllen. Für eine Nacht würden sie am Rande des Dorfes rasten und sich erholen, ehe es westwärts weiterging.
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