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Ein besonderer Zwerg

Ein weißhaariger Zwerg pflanzt einen kleinen Baum, drei Elfen stehen in der Nähe und leuchtende Feen schwirren umher. Erstellt mit Grok2.
Der Zwerg pflanzt im Beisein seiner neuen Freunde den Schössling des Lebensbaums.

Unter einer knorrigen alten Eiche schlief ein Zwerg, obwohl es hell am Tage war. Sein Schnarchen zog neugierige Feen an, die ihn frech anstupsten, doch er rührte sich nicht. Bald wurden die kleinen Wesen mit den durchsichtigen, bunt schillernden Flügeln es müde, den schlafenden Zwerg zu ärgern und ließen ihn wieder allein.

Des Nachts saß der Zwerg mit dem Rücken an die Rinde gelehnt da und seufzte. „So finde ich den Weg nach Hause auch nicht.“, murmelte er vor sich hin und in den dichten Bart hinein. Er verschränkte die Finger seiner Hände ineinander und atmete tief durch. Er bliebt wach, aber er rührte sich nicht mehr. Die in der Dunkelheit umherstreifenden Tiere des Waldes wagten sich nah an die unbekannte Gestalt heran, doch als sie seinen regelmäßigen Atem hörten, nahmen sie wieder Abstand. Er spitzte seine Ohren und lauschte in die Nacht. Unter der Baumrinde raspelte und schabte es, der sanfte Wind spielte mit den Blättern, ein Uhu ließ seinen Ruf erklingen.

Er sog die beruhigende Langsamkeit der dunklen Stunden in sich ein, war dennoch mit sich selbst nicht zufrieden. Erst als sich der Wechsel zum Tag ankündigte, regte sich der Zwerg, erhob sich und ging seines Weges.

 

Sobald die Sonne in den Himmel gestiegen war, nahm er unter einem blühenden Rosenstrauch Platz und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Der dezente Duft der Blüten gefiel ihm und er verbrachte dösend den Tag unter dem Busch. Drei Elfen, die auf der Jagd waren, machten in seiner Nähe Rast und bemerkten den Zwerg erst, als sie wieder aufbrechen wollten. „Sehr selten trifft man einen eurer Art in der Mittagssonne, Herr Zwerg.“, sprach der blonde Elf, der einen Bogen bei sich trug, den Zwerg an, der entgegnete: „Es geht nicht anders. Die Sonne scheint so grell, dass sie mir die Sicht nimmt. Ich warte auf die Dämmerung, um meinen Weg fortzusetzen.“ Mit einem Handzeichen verabschiedeten sich die Jäger von dem zwergischen Wanderer und gingen wieder ihrem Tun nach. Bis zum Abend, als die Sonne am Horizont untertauchte, blieb der Zwerg unter dem Rosenbusch sitzen. Im Zwielicht der Dämmerung raffte er sich auf und lief weiter, bis die Dunkelheit im erneut das Weiterkommen erschwerte.

 

Diesmal war er bis zu einem Felsen gekommen, unter dessen Überhang er Schutz fand und sich schlafen legen wollte. Bepackt mit drei Hasen, zwei Rebhühnern und einem Reh waren die drei elfischen Jäger auf dem Heimweg, als sie den Zwerg wiedersahen. „Weit gekommen seid Ihr ja nicht, Herr Zwerg.“, sprach ihn der schwarzhaarige Elf an, der einen Speer mit einer einschneidigen Klinge trug. „Ach, werter Elf, ich kann in der Dunkelheit nicht sehen, daher muss ich wieder rasten.“, antwortete der rundliche Mann mit dem dichten braunen Bart. Dem Speerträger huschte ein flüchtiges Lächeln über das Gesicht, als er sich von dem Zwerg abwandte und zu seinen Begleitern in deren eigener Zunge sprach. „Mir scheint, dieser Zwerg ist etwas sonderlich. Er kann am Tage nicht sehen, wo ihn die Sonne blendet und im Dunklen ebenso wenig, weil er nachtblind zu sein scheint. Entweder ist er verrückt oder zu bedauern.“, sprach der dritte Elf, bewaffnet mit Dolch und Kurzschwert, seine Gedanken laut und für den Zwerg verständlich aus. Bedrückt reagierte der Steingeborene darauf: „Glaubt es oder nicht. Nur in der Dämmerung voranzukommen, ist gewiss keine Freude, ob eingebildet oder missgebildet.“ Den drei Elfen war nun nicht mehr zu Scherzen zumute, eher tat ihnen der Zwerg leid.

 

Ein Lichtschein näherte sich, der von vielen kleinen Flügeln getragen wurde. Die Feen, welche ihn am Vortag versucht hatten zu wecken, waren dem Zwerg gefolgt. Nur zögernd hatten sie Mut gefasst, sich ihm erneut zu nähern, erst recht, wo nun andere große Wesen bei ihm waren. Mit leise sirrenden Flügelschlägen blieben sie zwischen den Elfen und dem Zwerg in der Luft stehen. Jedes der kleinen Wesen hielt eine winzige Laterne, geformt wie ein Blütenkelch, in der Hand. Ein angeregtes Flüstern raunte den größeren Gestalten entgegen, bis eine der Feen sich vor ihre Artgenossen begab und das Wort an den Zwerg richtete: „Guten Abend. Als Ihr unter der Eiche schlieft, hatten wir versucht, Euch zu wecken, werter Zwerg, was uns nicht gelang. Nun haben wir Euch eingeholt und den Mut gefasst, Euch anzusprechen. Das Gespräch der Elfen mit Euch haben wir gehört und wir möchten gern helfen.“

 

Die menschendaumengroße Fee verbeugte sich und verschwand zwischen ihresgleichen.

Schamesröte stieg den Elfen in die Wangen, der Zwerg dachte angestrengt nach.

„Wie gedenkt ihr mir zu helfen, liebe Feen?“; fragte der kleine, korpulente Mann in die leuchtende Traube aus schimmernden Feenflügeln. Eine andere Fee drängte nach vorn und sprach: „Euch ist es nur möglich, im Zwielicht der Dämmerung den Weg zu finden. Wir haben auch gesehen, wie sehr Ihr die Natur liebt. Was haltet Ihr davon, hier im Wald in einem Garten zu leben, dessen Leben im Zwielicht erblüht?“ Erstaunt, mit großen Augen, schaute der Zwerg die flatternden Feen an. Eine Träne kullerte ihm aus dem Auge, die Wange herunter, bis sie auf den Waldboden fiel und in tausend Farben zerplatzte. Erschrocken und verwundert besahen er und die Elfen das kurze Schauspiel.

Der Zwerg nickte. „Ja, ich nehme das Angebot an. In den Minen des Berges bin ich meinen Brüdern und Schwestern nicht nützlich, da ich in der Dunkelheit nichts sehe, wie die anderen Zwerge es können. Einen Garten habe ich mir schon immer gewünscht, ich wusste nur nie, wie ich das bewerkstelligen soll.“, nahm er die Offerte gerührt an. Die Feen schwirrten ihm um den Kopf und klatschten freudig in die kleinen Hände, dass die Laternchen schaukelten. Aus vielen kleinen Mündern kam nun die Aufforderung, ihnen zu folgen und der golden schimmernde Ball aus Licht bewegte sich wieder durch die Luft. Der Zwerg und die Elfen gingen den aufgeregten Feen nach, bis sie bei einer Waldlichtung anlangten. „Hier ist der Platz. In der Morgendämmerung fangen wir an.“, flüsterte es vielstimmig von den Feen her. Die drei Jäger und der Zwerg ließen sich nieder und verbrachten am Rande der Lichtung den Rest der Nacht bis zum Morgengrauen.

 

Trotz seiner inneren Aufregung fielen dem Zwerg die Sorgen ab und er schlief schnell tief ein. Die drei Elfen wachten über ihn und versorgten in der Zwischenzeit ihre Jagdbeute. Als der Morgen graute, bevor die Sonne aufging, weckten sie den schnarchenden Zwerg, der nach wenigen Augenblicken auf den Beinen stand. Die Feen tauchten wieder auf und hielten erneut vor dem Gesicht des Zwerges an. „Wie wollt Ihr wohnen, werter Zwerg?“, fragten sie im Chor. Der Mann dachte nach und antwortete lächelnd: „In einem Pilz!“ Mit der rechten Hand zeigte er auf den Ort, den er dafür ausgesucht hatte, woraufhin die Feen an jenem Platz eine Sporenwolke niedergehen ließen. Weißes Myzel schoss durch den Boden und in die Höhe. Innerhalb von Augenblicken wuchs ein riesiger Pilzkörper heran, der von einem braunen Röhrenhut gekrönt wurde. Der Pilz war groß genug, um für den Zwerg als Haus zu dienen, samt Küche, Stube und Schlafgemach. Wie er sich freute, konnte er nicht in Worte fassen und auch die Elfen staunten nur, als sie das Geschehen beobachteten. „Dort ist Euer Pilz. Gestaltet ihn nach Eurem Belieben.“, teilten die Feen mit. Ein leises, ehrfürchtiges „Danke.“ glitt wie gehaucht von den Lippen des Zwerges. Die Feen winkten und verschwanden wieder im Wald.

 

Ehe der Zwerg in sein neues Haus einziehen konnte, musste er den Pilz bearbeiten. Die Elfen halfen ihm bei den ersten Schritten und schnitten eine Tür und ein Fenster aus dem Pilzstamm heraus. Mit seinem Beil höhlte der Zwerg den Pilzkörper aus, bis er genug Platz zum Stehen hatte, das Pilzfleisch legten seine Helfer vorerst draußen ab. Bald blickte auch die Sonne über dem Blätterdach des Waldes hervor und der Zwerg sah sich gezwungen, die Arbeit ruhen zu lassen. Die Elfen verabschiedeten sich, versprachen aber, bald nach ihrem neuen Freund zu sehen. Den ganzen Tag über blieb der Zwerg in seinem neuen Zuhause, mal schlief er, mal erweiterte er sein Heim. Die drei Elfen kehrten zur Abenddämmerung ebenso zurück wie die Feen mit ihren vielen Laternchen.

 

„Wir haben Samen und Werkzeug mitgebracht, Herr Zwerg.“, teilten die Elfen mit. Der Bogenschütze zog einige kleine Säckchen aus einem Lederbeutel, den er am Oberkörper trug und streckte sie ihm entgegen. Eine Hacke und einen Spaten hatte der Speerträger mitgebracht, der die Werkzeuge gegen das Pilzhaus lehnte. Von dem Schwertkämpfer erhielt der Zwerg einen Baumschössling, den er in einem Tragekorb auf dem Rücken hergebracht hatte. Lächelnd übergab er den jungen Baum an den fragend blickenden Zwerg: „Ein Spross des Lebensbaumes unseres Dorfes, gezogen aus den Samen unserer Esche.“ Der Zwerg freute sich sehr über die Geschenke und dankte seinen neuen Freunden überschwänglich. Er schnappte sich den Spaten und hielt auf die Mitte der Lichtung zu, wo er begann, ein kleines Loch auszuheben. Sobald es eine ausreichende Größe hatte, holte er den Eschenschössling und setzte ihn ein. Die drei Elfen füllten Erde auf, bis der junge Baum ausreichend Halt hatte. Dann flogen die Feen heran und wirkten einen Zauber, der es sanft auf das Gehölz regnen ließ.

 

Zu schnell für den Geschmack des Zwerges brach die Nacht diesmal herein, was ihm die Weiterarbeit verwehrte. Er verabschiedete sich dankbar von den Besuchern und zog sich in seine Behausung zurück, wo er sich auf den Pilzboden legte und schnell in den Schlaf fand. Draußen sprachen die Feen und die Elfen darüber, was sie noch für den Zwerg tun konnten, der mit seinem neuen Zuhause überaus glücklich wirkte. „Wir werden ihm helfen, sein Pilzhaus einzurichten.“, versprachen die Elfen. Die Feen flüsterten summend durcheinander, ehe sie sich im Chor den größeren Wesen mitteilten: „Uns wird es ein Vergnügen sein, mit dem Zwerg den Garten zu gestalten. Der Lebensbaum als Mittelpunkt ist ein schöner Anfang. Zur Morgenröte werden wir wieder hier sein, um mit dem Zwerg zu sprechen und den ersten Pflanzen einen Platz im Garten schenken.“

In aller Stille entfernten sich Elfen und Feen von der Waldlichtung und ließen den lächelnd schlafenden Zwerg mit seinen Träumen allein.

 

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