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47. Verteidigung der Wahrheit

Der rustikale Raum einer Taverne mit einer Bar und einer Topfpalme und einem Schaf mit Sattel auf dem Rücken. Erstellt mit ChatGPT.
Der gemütliche Schankraum der "Blauen Schwalbe" mit Hausschaf. (KI-generiert)

„Ihr wollt damit andeuten, der historische Daril zu sein? Fühlt Ihr Euch noch gesund?“, fragte der Zwerg, der auf seinem blanken Kopf nur einen langen Pferdeschwanz trug, ungläubig. „Ich, Lotz, bezweifle das. Könnt Ihr Eure Behauptung beweisen, fremder Zwerg?“, setzte er fordernd nach. Pelok, Khûna, Foret und auch Linnarhan erhoben sich von ihren Stühlen und stellten sich mit verschränkten Armen hinter mir auf. Wie mit einer Stimme sagten sie: „Er ist es.“ Ich war überrascht, dass auch Khûna in diesem Maße zu mir hielt, obwohl wir uns erst wenige Tage kannten.

Nun stand auch ich auf und richtete mich an die drei Gildemeister. „Ich bin seit mehr als zehn Jahren unterwegs. Von Gabil’urdûm nach Takal Dûm, zum Mebel’aban bis zu den Kallâ Atâr. Wir haben Danakh’abad und Ubâr Dûm besucht. Nirgends hatte ich solche Gestalten wie euch erlebt. Alle anderen Khazâd, die wir trafen, waren ehrbare Vertreter unseres Volkes. Was hat euch dazu veranlasst, auf andere so herablassend zu schauen?“, stellte ich die Händler zur Rede, die nun noch mehr nach Luft schnappten und rot anliefen.

 

Ich zog den Lederbeutel an meinem Gürtel auf, in dem der Zirkon steckte und hielt das Juwel in die Höhe, den Händlern entgegen. Hegol zog ein Monokel aus der Brusttasche seiner Jacke, bat mich näher und beäugte den Edelstein fachmännisch. „In der Tat. Ein Zirkon aus dem Ural. Das Muster des Schliffs lässt auf die alten Meister der Steinformer schließen. Dagegen sind unsere Kristalle stümperhafte Plagiate.“, gab er unumwunden zu und räumte ein: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Zwerg der Daril ist, der er vorgibt zu sein.“ Ein Geräusch des Missfallens entfuhr Graff. „Nun gut. Lasst uns kein großes Aufsehen erregen. Ich denke, wir sollten diesen Leuten innerhalb der Stadt alle möglichen Freiheiten gewähren, selbst der Elfin.“, schlug er seinen Kollegen vor, die einstimmig nickten. „Wir werden den übrigen vier Gildemeistern von den Vorkommnissen berichten. Solange ihr in Sajranzizar unterwegs seid, könnt ihr in der besten Taverne am Basar Quartier beziehen. Ein Dalil wird euch mit entsprechenden Anweisungen dorthin bringen.“, gestand Hegol uns zu. Lotz setzte eine versöhnliche Miene auf, als er sich an mich wandte und meinte: „Die Zeche geht auf uns, ihr braucht euch um nichts zu kümmern.“

 

Ganz wohl war mir in ihrer Gesellschaft auch bei all den Zugeständnissen nicht, aber wir nahmen das Angebot an. Der Bedienstete erschien wieder, um uns die große Tür zu öffnen, nachdem wir uns bei den drei Händlern bedankt und von ihnen verabschiedet hatten. Am nächsten Tag sollten wir den gesamten Gildenrat treffen und mehr erfahren.

Der Hausdiener am Tresen des Foyers wünschte uns einen schönen Aufenthalt, als wir die Almadina, das Stadthaus, verließen. Auf dem Vorplatz stand der metallen schimmernde, schlanke Stadtführer-Golem bereit. Eine der beiden Wachen hatte noch sein Juwel auf den Dalil gerichtet, um ihm die nötigen Instruktionen zu übermitteln. Ich fragte mich dabei, ob es mit meinem Zirkon auch möglich war, einen Golem zu steuern.

 

Erneut folgten wir dem Konstrukt über den Marktplatz hinweg und gingen danach kurz auf der sich anschließenden Prachtstraße entlang, die von Pflanzkübeln gesäumt wurde, in denen schlanke, dunkle Nadelbäume standen. Aus einem breiten Durchgang lärmte es groteske Klänge, die mir in den Ohren schmerzten. Drinnen konnten wir verschiedene Wesen erkennen, die mit Musikinstrumenten hantierten. Der Stadtführer hielt nicht an und ich musste mich beeilen, um wieder mit ihm Schritt zu halten. Seine metallenen Füße klapperten rhythmisch auf dem Straßenpflaster, bis der Dalil vor einem Hauseingang anhielt, der mit einer zweigeteilten Tür versehen war. Er klopfte dreimal, dann schaltete er sich ab. Die obere Hälfte der hellen Holztür wurde mit einem langgezogenen Knarzen geöffnet. Eine menschlich aussehende Gestalt reckte den Kopf auf die Straße heraus und hielt eine Steintafel an den Golem, danach sah sie uns an. „Kommt herein, Leute!“, forderte sie uns mit tiefer Stimme auf und schlug dann auch das Unterteil der Tür auf. Das Wesen war ein Zentaur, dessen Hufschlag von einem weichen Teppich gedämpft wurde.

Nacheinander traten wir ein und gingen ihm nach.

 

An den kurzen Flur schloss ein großer, einladend wirkender Gastraum mit einer weit geschwungenen Theke aus dunklem Granit an, die in farblichem Kontrast zu den kalkweißen Wänden stand. Kleine und mittelgroße Topfpflanzen machten den Raum behaglich und begrenzten die Sitzgruppen dezent. Der Zentaur begab sich hinter die stilvolle Theke und begrüßte uns dann offiziell: „Willkommen. Mein Name ist Deru, ich bin der Wirt der „Blauen Schwalbe“. Dem Dalil konnte ich entnehmen, dass ihr als Gäste der Gilde hier seid. Welche Aufteilung der Zimmer benötigt ihr? Wünscht ihr ein Getränk? Kann ich euch anderweitig behilflich sein?“, bot er beflissen seine Dienste an. Wir besprachen uns kurz, bevor wir ihm die nötigen Antworten geben konnten. „Wir bräuchten drei Einzelzimmer für Zwerge und ein Zimmer für zwei, das Zwergen und Elfen taugt.“, erklärte Khûna dem Wirt. Pelok beantwortete die zweite Frage: „Über einen Krug leichten Bieres würden wir alle uns sehr freuen.“ Dabei grinsten wir Deru an und ich ging auf sein letztes Angebot ein. „Wir würden gern mehr über Sajranzizar und die hiesigen Sitten erfahren. Außerdem sind wir auf der Suche nach Freunden, die entweder bereits hier in der Stadt waren oder auf dem Weg hierher sind.“, suchte ich das Gespräch. Sein Oberkörper deutete eine Verbeugung an, dann entgegnete er: „Gut, all das soll zu eurer Zufriedenheit erledigt werden. Die gewünschten Zimmer werden bald bereit sein, inzwischen könnt ihr euch einen Platz suchen, zu dem ich gleich das Bier bringen werde. Dann spreche ich gern mit euch.“

 

Wir machten es uns in einer nahen Sitzgruppe bequem, die aus einem weichen Sofa, mehreren großen Kissen und einem niedrigen Tisch bestand. Eine Topfpalme rundete den Anblick ästhetisch ab. Wir legten die Ranzen und Rucksäcke, die mittlerweile schwer auf unsere Rücken gedrückt hatten, auf den Boden. Bald erschien Deru mit je drei Bierkrügen in beiden Händen und stellte sie auf dem Tischchen ab. Der Zentaur trug am menschlichen Oberkörper ein weißes Hemd mit einer dunkelgrünen Fliege am Hals, dazu ein Jackett in einem helleren Grünton. Das bräunliche Fell seines pferdehaften Unterkörpers harmonierte gut mit der Kleidung. „Die Getränke, werte Gäste.“, merkte er kurz an, dann ließ er seinen massigen Körper auf den Teppich sinken, schaute in die Runde und fragte: „Was wollt ihr wissen? Leute wie ich bekommen viel davon mit, was in der Stadt passiert.“

 

Ich nickte, nahm einen Schluck aus den Humpen und begann meine Fragen an den Zentauren zu stellen: „Die Freunde, die ich suche, sind drei Zwerge aus dem Osten. Zwei Männer und eine Frau. Einer der Männer und die Frau haben ungewöhnlich helle Haut. Als ich sie zuletzt sah, wirkte sie noch durchscheinend wie Kristall, dass man schemenhaft ihre Herzen erkennen konnte. Sie trugen leichte Reisekleidung, die für Magiebegabte gewöhnlich ist. Der andere Zwerg ist noch recht jung. Er trug eine Lederrüstung und einen Streithammer aus Schwarzstahl mit silbernen Schriftzügen. Auch frage ich mich, ob eine menschlich wirkende Frau gesehen wurde, die als Hyrasha, Behüterin der Sagen, bekannt ist.“ Deru dachte angestrengt nach, ehe er eine Antwort gab: „Mir ist nichts bekannt, doch werde ich Augen und Ohren offen halten. Womöglich sind deine Freunde jemandem aufgefallen, falls sie hier waren oder sind.“ Mir war bewusst, dass er nicht mehr tun konnte und bedankte mich nickend.

 

Foret hob die Hand und der Zentaur erteilte ihm das Wort: „Können Sie uns erklären, weshalb sich die Zwerge dieser Stadt so überheblich verhalten? Ihre Sitten sind uns fremd, aber ein solches Benehmen ist uns von keinem unseres Volkes bisher untergekommen, sehr unzwergisch.“ Deru schaute nachdenklich, ehe er zu reden begann: „Eine konkrete Antwort darauf ist schwierig. Ich lebe schon sehr lange hier. Auch wenn wir Zentauren eine geringere Lebenserwartung als Zwerge haben, führe ich dieses Etablissement bereits seit beinahe einhundert Jahren. Als ich klein war und meine Eltern noch die Wirtschaft geführt hatten, war es noch angenehmer, in Sajranzizar zu leben. Erst seitdem zunehmend Goblins und dunkles Volk auf den Basar gekommen waren, zogen sich die hohen Herren zurück und erließen strengere Regeln. Bis dahin mussten die Golems, die von den Zwergen kontrolliert werden, nur sehr selten eingreifen. Ich glaube, sie haben vor etwas Angst, das ihnen gefährlich werden könnte. Doch den Störenfrieden den Zugang zur Stadt zu verwehren, könnte für sie zu Schwierigkeiten führen. Man munkelt von einem Schattenkartell, das in direkter Konkurrenz zu den Zwergen der Händlergilde stehen soll.“ Der Zentaur räusperte sich kurz. „Ich plaudere schon wieder zu viel, denn ihr wirkt ehrlich vertrauenserweckend. So, wie man sich Zwerge eben vorstellt.“, räumte er ein.

 

Ein bestätigendes Raunen ging durch die Gruppe. „Davon würden wir gern mehr erfahren.“, meinte Khûna mit einem energischen Nicken. Nun nickte auch Deru bedächtig und versprach: „Ich werde für euch meine Beziehungen spielen lassen. Da ihr nicht von hier seid, ist mir bewusst, dass ihr kein Geld mit euch führt. Womöglich können wir anderweitig eine Übereinkunft erzielen.“ Kurz berieten wir uns, dann sprach ich erneut: „Wenn wir mit Wissen und Handwerk helfen können, sehen wir dabei kein Problem, Deru. Jeder von uns hat gewisse Fähigkeiten, die wir gerne als Dienstleistung anbieten, wenn Ihr euren Teil erfüllt.“ Er lächelte mich an und streckte mir seine rechte Hand entgegen. Ich schlug ein, womit unsere Abmachung besiegelt wurde.

 

„Nun denn. Ich muss mich wieder um das Geschäft kümmern. Eure Zimmer sollten bereit sein. Ich schicke jemanden, der euch nach oben geleitet und euch alles zeigt.“, meinte der Zentaur und erhob sich wieder auf seine vier Hufe. Damit endete die Unterredung und wir tranken in Ruhe unser Bier aus, bevor ein Bediensteter erschien. Schlank von Wuchs mit zwei gezwirbelten Hörnern auf dem menschlichen Kopf und auf zwei Hufen stehend, bot ein Faun an, unser Gepäck auf die Zimmer schaffen zu lassen, während er uns hinauf führen wollte. „Werte Reisende, die Zimmer sind bereit. Folgt mir nur, eure Habe wird schon versorgt.“, teilte er uns mit der meckernden Stimme, die an eine Ziege erinnerte, mit. Wir folgten ihm durch die Pflanzenkübel hindurch bis zu einem gewendelten Aufgang ohne Stufen. Die bequem gebaute Rampe endete im Obergeschoss in einem breiten Flur, der einmal rundherum führte. Dort war der Fußboden mit einem grün gemusterten Teppich ausgelegt, nur dass jener weniger flauschig war als im Gastraum und nur einen Schritt breit die Mitte der Dielen bedeckte. Die Wände waren hier glatt verputzt und wiesen in unregelmäßigen Abständen dekorative bunte Muster auf.

 

Die Hufe des Bediensteten klopften rhythmisch auf den Fußboden, als er nach rechts abbog und Khûna, Pelok und Foret ihre Zimmer, die nebeneinander lagen, zeigte. „Die Suite ist demnach für euch beide.“, meinte er schief grinsend und bog noch einmal rechts ab. In diesem Gang gab es nur eine Tür. Er öffnete sie und machte eine einladende Geste. Sanftes Sonnenlicht schien in den Flur hinein, was zusätzlichen Reiz auf die Elfin und mich ausübte. Kaum waren wir eingetreten, lag unser Gepäck schon auf dem großen Bett, das den größten Teil des vornehm rustikal eingerichteten Raumes einnahm. „Hier vorn rechts befindet sich ein Badezimmer, der Raum daneben ist ein begehbarer Schrank. Ich wünsche den Herrschaften einen angenehmen Aufenthalt.“, erklärte der Faun sich und ging, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Ein verschnörkelter Metallschlüssel steckte von der Innenseite des Zimmers im Schloss.

 

„Wie lange werden wir wohl hier bleiben, Daril?“, fragte mich Linnarhan, als ich mein Bündel und den Ranzen aufnahm und in das Schrankzimmer brachte. „Das weiß ich noch nicht, doch ist es mir wichtig, einen der Händler für unsere Sache zu gewinnen, um irgendwann die Markierungssäulen in Takal Dûm aktivieren zu können. Ohne unsere Freunde aus den Kalten Tunneln und Olthek vom Hartfels sieht es ebenso schlecht für dieses Vorhaben aus.“, erklärte ich ihr vage. „Wer ist diese Hyrasha, mit der du einst unterwegs warst? Du nanntest sie ‚Behüterin der Sagen‘.“, hakte die Elfin nach. „Wir liefen uns bei meiner Wanderschaft durch Polen über den Weg. Dort wurde sie verletzt und verschwand vor meinen Augen im Gras liegend. Dann trafen wir in den russischen Waldaihöhen wieder aufeinander. Von dort aus gingen wir gemeinsam nach Takal Dûm, wo sie das ‚Heim des Wissens‘ in Augenschein nahm und ich die Stadt eingehender erkundete, wobei ich Foret kennenlernte. Dort trennten sich auch unsere Wege bis heute. Ob sie meine Nachrichten gelesen hatte, weiß ich nicht, denn bald darauf hatten Foret und ich mich auf den Weg zum Hartfels aufgemacht, wobei wir beide uns damals kennengelernt hatten und du mir seitdem nie wieder aus dem Kopf gegangen bist.“ erzählte ich ihr in Kurzform die Geschichte und lächelte sie verliebt an, was sie mit einem kurzen Lachen beantwortete. „Was meinst du, weshalb ich unbedingt Khuzdul lernen wollte? Du hattest mich damals bereits beeindruckt. Mein Vater hatte mir die Grundlagen beigebracht, was in Amon Calen wirklich hilfreich war, obwohl alle dort zweisprachig sind. Ich frage mich aber, warum wir hier bisher alle Wesen problemlos verstehen, wo doch Zwerge ihre Sprache eher nicht gern weitergeben. Ich vermute eine subtile Magie, die als Übersetzer fungiert. Jedenfalls fühle ich dieses sanfte magische Vibrieren, seitdem wir die Bahnanlage verlassen hatten.“, teilte sie mir ihre Wahrnehmungen mit, während sie ihre Sachen in die Regale räumte.

 

Nur wenige Zwerge entwickeln ein solches Feingefühl für die Magie, wie es den Elfen von Natur aus gegeben ist. Ich musste mich entspannen und sehr darauf konzentrieren, um die allgegenwärtigen Schwingungen überhaupt erahnen zu können, obwohl ich eine geringe magische Begabung besaß. Dann kamen mir die schrägen Töne der Musikanten wieder in den Sinn, die mir aufgefallen waren, als wir zum Gasthaus gingen. „Liebste, ich möchte mir ansehen, was die Musiker dort drüben machen. Wenn ich mich nicht täusche, hatten sie vorhin eine Probe. Gehen wir gemeinsam hin?“, schlug ich der schönen Elfin vor, die mit einem bezaubernden Lächeln einwilligte.

Wir machten uns nacheinander im Badezimmer frisch und zogen bequeme Kleidung an. Linnarhan trug ein schlichtes Kleid aus feinem aber dichtem Stoff mit floralen Stickereien am Halsausschnitt, zu dem sie einen dünnen Gürtel um die Hüfte gelegt hatte. Ich hatte meine Cordhose angezogen, dazu ein Leinenhemd und eine Wolljacke, dazu meine Schiebermütze. Ehe wir das Haus verließen, klopften wir noch bei unseren Kameraden und teilten ihnen mit, was wir vorhatten. Sie wollten lieber auf Deru warten und später in Gastraum etwas essen, also machte ich mich mit meiner Liebsten auf, die Musikanten zu besuchen.

 

Kaum hatten wir die zweigeteilte Eingangstür des Gasthauses „Blaue Schwalbe“ hinter uns geschlossen, dröhnte uns von der anderen Seite, ein paar Schritte die Straße hinab, das harte Zupfen der Saiten eines Basses entgegen. Aus dem offenen Zugang, aus dem schon am Vormittag die ungewöhnlichsten Geräusche drangen, die ich jemals vernommen hatte, ertönte nun melodische Musik. Blasinstrumente und Schellen umspielten die Töne des Basses, während eine große Trommel den Takt des Stückes bestimmte. Ich spürte, wie sich ein breites Grinsen auf meine Lippen stahl, als ich bemerkte, wie sehr mich die Musik an der Seele packte und mitnahm. Linnarhan, die meine linke Hand hielt, ließ sich von mir in das Konzerthaus ziehen, den nun harmonischen Klängen entgegen. Als ich ihr in die Augen sah, lächelte sie mich glücklich an. „Deine Idee gefällt mir immer mehr.“, sagte sie und küsste sanft meine Stirn.

 

Im Rund des Zuschauerraumes suchten sich bereits viele Gäste einen Platz auf den Rängen. Der Konzertsaal ähnelte einem griechischen Theater, das einem Trichter glich. Die Akustik dieser Bauweise zog meine Sinne schnell in ihren Bann, während das Orchester auf der kreisförmigen Bühne auf dem Grund des Theaters ihre Proben abschloss. Einige der Klänge konnte ich keinem mir bekannten Instrument zuordnen und staunte nicht schlecht, als ich mir die Besetzung des Orchesters näher ansah. 

 

Zupfinstrumente und Trommeln kamen in unterschiedlichen Formen daher. Klanghölzer, Flöten und andere Musikinstrumente waren ebenso vertreten. Die Musiker entstammten allen möglichen Völkern und verstanden es, ihre Instrumente meisterhaft zu spielen. Plötzlich herrschte für einige Augenblicke absolute Stille im Saal, alle Zuschauer nahmen eilig Platz, ehe nach einem weiteren Moment der Ruhe die sanften, hellen Töne einer Flöte erklangen, die von einer Nymphe gespielt wurde. Die Melodie trug meine Gedanken an einen Gebirgsbach, der auf seinem Weg in ein bewaldetes Tal fröhlich vor sich hin sprudelte. Dann setzte die Trommel eines Moosmannes ein, die den sprunghaften Tonverlauf einfing, woraufhin Holzbläser die Flötenklänge aufgriffen und auf ihre Weise weitertrugen. Der tiefe, gezupfte Bass kam bald dazu und verlieh im Zusammenspiel dem Ensemble eine treibende Kraft. Die letzten Akzente setzten die von einem Baumkobold gespielten Klanghölzer. Minutenlang spielte das Orchester das Musikstück in dieser Besetzung, das dann mit einem finalen Schlussakkord ausklang. Die Komposition hatte mich so sehr mitgerissen, dass ich aufgestanden war und mich zu den Klängen bewegt hatte. Ich wollte nicht behaupten, tanzen zu können, doch Linnarhan richtete amüsierte Blicke auf mich. Sie wirkte ausgelassen, was ich bei ihr noch nicht in dieser Intensität hatte erleben dürfen.

Es folgten noch weitere Musikstücke, die mich ebenso wie das erste auf eine mentale Reise mitnahmen. Auch meine liebste Elfin sog die fremdartigen Rhythmen förmlich auf und tanzte leichtfüßig um mich herum. Ihr Lächeln unterstrich dabei ihre natürliche Schönheit, was weitere Glücksgefühle in mir hervorrief.

Mit einem Paukenschlag kündigte das Orchester das letzte Stück des Abends an, eine beschwingte Melodie, getragen von Bläsern und Saiteninstrumenten, schloss daran an. Treibende Trommeln und Becken aus Metall setzten gekonnt Akzente, die das Tempo des Stückes bestimmten.

 

An Musik hatte ich schon seit langer Zeit Freude gehabt, doch dieses Konzert hob meine Liebe dazu auf eine neue Stufe.

Unter dem tosenden Applaus des Publikums verneigten sich die Musiker mehrere Male, dann verließen sie winkend die Bühne.

 

“Permoník.”, erklang hinter mir eine vertraute Stimme, während Linnarhan und ich uns gerade die Hände reichten. Mir rutschte schier das Herz in die Hose und setzte für einen Schlag aus, als mir bewusst wurde, dass eine Stimme aus der Vergangenheit mich angesprochen hatte. Ich wirbelte herum, riss die Elfin beinahe mit und blickte in durchdringende, uralte, eisblaue Augen, die von zwei dünnen Zöpfen eingerahmt wurden. Sie trug immer noch den grauen, wetterfesten Umhang und die braune Lederrüstung, so wie wir uns einst in Schlesien kennengelernt hatten.

Erfreut schmetterte ich der Frau “Hyrasha!” entgegen und lachte sie an.

 

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