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46. Der magische Basar

Ein orientalisch anmutender Marktplatz, an dessen Ende ein weißes Hauptgebäude steht. Erstellt mit ChatGPT.
Die Stadt Sajranzizar, erste Version. (KI-generiert)

Erwartungsvoll legte ich meine Hände auf den Schriftzug. Die Runen glommen unmittelbar rot auf. Das Licht zog sich durch die Adern der gesamten Steinplatte, die daraufhin beinahe lautlos nach links in den Fels hineinglitt. Der Ausgang stand nun offen und ich blinzelte etwas benommen in das gedämpfte Licht des Nachmittags.

Leise und leicht rieselten feine Schneeflocken vom grauen Himmel auf die bunte Kulisse des Basars von Sajranzizar herab, als wir das abgenutzte Kalksteinpflaster der Straße betraten.

Einige Gestalten kamen uns entgegen, als die Tür sich gerade wieder schloss und das kristalline rote Glühen der Schriftzeichen verblasste. Hier stand geschrieben:

 

„Zugang zur Zwergenbahn. Unbefugten ist der Zutritt untersagt. Die Handelsgilde.“

(Mudnû nehêb khuzdul. Kanâg binbulku lu matêfali medena. Barafazrâf id-usjârul.)

 

Die Wesen, die nun an uns vorbeigingen, nahmen nur wenig Notiz von uns. Eines von ihnen wirkte wie ein übergroßer Vogel mit buntem Schnabel, die anderen drei hatten eher menschliche Züge. „Ich frage mich, was hier los ist.“, blubberte Pelok hinter mir etwas unsicher. Foret zuckte mit den Schultern und meinte trocken: „Zumindest scheint unser Transportmittel nur Zwergen vorbehalten zu sein.“ Von weiter entfernt drangen die Geräusche eines belebten Platzes zu uns.

 

„Kommt, sehen wir uns um.“, schlug ich vor und machte mich in Richtung des Trubels auf den Weg. Linnarhan ging neben mir. Sie wirkte auf mich wie eine Kriegerin in ihrer Jagdrüstung und mit dem Bogen in der Hand, als ich sie verträumt anschaute. Die Gebäude waren aus Sandstein gebaut, der in unterschiedlichen Farbnuancen ein faszinierendes Bild bot. Wir ließen die Häuserzeile hinter uns und traten auf die weite Fläche eines großen Platzes, der mit Marktständen und Buden belegt war. Allerlei verschiedenes Volk war hier unterwegs und sorgte für ein undurchdringlich erscheinendes Stimmengewirr. Plötzlich ertönte ein steinernes Rumpeln links von uns. Ein wuchtiges Geschöpf aus Stein stellte sich einem Goblin in den Weg. Ein elektrisierender Schlag des Golems, der kaum einer Berührung bedurfte, versetzte die Grünhaut in eine Starre. Es dauerte nur Augenblicke, bis zwei Zwerge dazu kamen und den Goblin in Gewahrsam nahmen. Danach kehrte wieder relative Ruhe ein, als der Golem wieder seinen vorherigen Platz einnahm. Neben ihm stand ein Zwerg, der ähnliche Kleidung trug wie jene, die den Goblin mitgenommen hatten.

 

„Shamukh.“, grüßte ich den offensichtlichen Wächter und nickte respektvoll. Er fragte in ruhigem Ton: „Kann ich helfen?“ Diesmal nickten Foret und ich im Gleichtakt, meinem Freund überließ ich das Gespräch. „Wir sind neu hier und möchten mit jemandem aus der Händlergilde sprechen.“, teilte er dem Wächter mit dem blonden Bartzopf mit, der sich amüsiert zeigte: „Viele wollen mit den hohen Herren sprechen. Da ihr Zwerge seid, nehme ich euch ernst. Andere hätten kaum eine Chance, vorgelassen zu werden. Ich rufe jemanden, der euch zur Almadina bringt.“ Wir bedankten uns, während der Wachmann in seine Tasche griff und einen grünen Edelstein hervorzog, den er in den Raum hinein richtete, in den ein Torbogen in unserer Nähe führte. Eine schlanke Gestalt trat heraus und stakste dann mechanisch anmutend in unsere Richtung. „Der Golem bringt euch hin. Viel Erfolg.“, teilte uns der Mann mit, bevor er das Konstrukt auf den Weg schickte, indem er sein Juwel an dessen Brust hielt, wo ein anderer Kristall eingelassen war, daraufhin setzte er sich in Bewegung.

 

Der feingliedrige, metallene Körper dieses Geschöpfes unterschied sich sehr von der plumpen Erscheinung des Wächtergolems, den wir vorhin in Aktion erlebt hatten. Stumm ging er voran, wir folgten ihm im Gänsemarsch über den großen Marktplatz. Unzählige Wesen waren zwischen den Marktständen unterwegs. Geschuppte Reptilien gingen hier ebenso ihren Geschäften nach wie Elfen und Zwerge. Ich hatte auch einige Zentauren gesehen, von denen einer missmutig mit einem seiner Vorderhufe scharrte.

 

Vor einem großen Gebäude aus weißem Kalkstein mit Akzenten aus rotem Sandstein hielt unser magisch-mechanischer Stadtführer an. Vor dem doppelflügeligen Eingangstor aus dunklem Holz standen zwei bewaffnete Zwerge, die sich sofort um uns und den Golem kümmerten. Einer von beiden sah Linnarhan an und kam zu uns, nachdem sich die beiden kurz besprochen hatten. „Der Dalil hat euch vom Markt hergebracht, Besucher. Was ist euer Anliegen?“, befragte er die Elfin ohne Umschweife. Etwas irritiert schaute sie mich an und ich nickte ihr aufmunternd lächelnd zu, dann gab sie der Wache Antwort: „Die Zwerge in meiner Begleitung möchten mit den Herren der Gilde sprechen. Wir kommen von weit her und sind in wichtiger Mission unterwegs.“ Dann machte sie eine kurze Pause und schluckte. „Warum sprecht ihr aber mich an und nicht euresgleichen?“, hakte sie nach. Der Wächter stutzte. „Ihr seid keine Untergebene dieser Khazâd? Zwergen begegnet man hier mit Respekt und spricht sie nicht einfach an. Eure Begleiter ersuchen um ein Treffen mit den Herren der Händlergilde? Dann folgt mir.“, antwortete der Zwerg in einer Uniform, die bis auf kleine Details der Kleidung des ersten Wächters glich, den ich angesprochen hatte. Der Mann mit dem kurzen Vollbart öffnete beide Flügel des Tores weit und bat uns herein.

 

Ein großer Kamin, in dem beruhigend ein Feuer knisterte, erwärmte den Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes. An einem Tresen, rechts von einer ausladenden weißen Treppe, stand ein glatzköpfiger Zwerg, der nur einen schwarzen Schnurrbart und dichte Augenbrauen als Gesichtsbehaarung trug. „Aye, unâkh. Shamukh, khazdâna ra khazdân.“ (Oh, Besucher. Willkommen Damen und Herren.), begrüßte er uns förmlich in Khuzdul, wobei er Linnarhan nicht eines Blickes würdigte. Ich räusperte mich und gedachte, mich den heimischen Sitten anzupassen. Ich nickte dem Herren zu, der in feinem Stoff gekleidet war und sprach ihn an: „Zum Gruße. Wir sind gerade aus Danakh’abad eingetroffen, um der Händlergilde die Aufwartung zu machen. Mein Name ist Daril, Sohn des Redin. Meine Begleiter sind Foret, Pelok, Khûna und Linnarhan.“ Bei jedem Namen zeigte ich auf die betreffende Person. An die Elfin versuchte ich dabei einen verzweifelten Blick zu senden. Sie nickte, was mich hoffen ließ, dass sie mich verstanden hatte. „Von den grünen Bergen kommt ihr. Lange ist es her, dass wir von dort etwas gehört hatten. Das könnte wahrlich interessant werden. Ich melde euch bei den hohen Herren an.“, freute er sich und sprach an seinem Arbeitsplatz in ein trichterförmiges Rohr, aus dem kurz danach ein bestätigendes Brummen erscholl.

 

„Geht die Treppe hinauf. Vor der Tür werdet ihr in Empfang genommen.“, wies uns der Zwerg mit dem Schnauzbart an und deutete eine Verbeugung an. Wir stiegen die Stufen hinauf, die vor einer verschnörkelten, weiß lackierten Holztür endeten. Sie wurde geöffnet, als ich gerade die letzte Stufe genommen hatte. Ein weiterer Zwerg begrüßte uns höflich: „Willkommen, tretet ein. Drei der Meister haben Zeit für euch.“ Pflichtbewusst wies er den Weg durch die Tür und wir betraten einen Salon, in dem sich drei extravagant gekleidete Zwerge ein langes Sofa teilten. Ihnen gegenüber standen vier gepolsterte Stühle und ein schlichter Hocker. Zähneknirschend bat ich Linnarhan im Flüsterton, sich auf den Hocker zu setzen. Wir anderen nahmen auf den Stühlen Platz, nachdem wir uns nacheinander mit einer Verbeugung vorstellten.

 

„Soso. Von den grünen Bergen kommt ihr her. Wer hätte gedacht, dass die Druiden wieder Kontakt zu uns aufnehmen wollen? Sie vertritt also die Elfen.“, begann einer der drei mit schnarrender, abfälliger Stimme die Unterredung und schaute mit verzogener Miene auf Linnarhan. „Ich bin Hegol, einer der sieben Gildemeister der Händler. Diese Stadt gehört uns und hier wird nach unseren Regeln gespielt.“, stellte er unmissverständlich klar, bevor einer von uns etwas erwidern konnte. „Wir fördern den freien Handel zwischen allen bekannten Völkern und jedes Wesen ist in unserer Stadt willkommen, solange es sich an unsere Rechtssprechung hält.“ Diese Aussage erklärte Einiges. Ich nickte und wendete mich an die drei Herren: „Mein Name ist Daril. Meine Gruppe und ich sind unterwegs, um die verstreuten Zwergenclans zu suchen und die verlorenen Kontakte neu zu knüpfen. Zuletzt waren wir in den grünen Bergen, aber unsere Reise begann in der Stadt der Ahnen, Takal Dûm.“, bemühte ich mich um eine sehr vorsichtige Annäherung.

 

Einer seiner Kollegen, sehr markant durch seine blonde Lockenmähne, wandte sich nun an mich: „Also kamt ihr aus dem Osten her. Aus Neugier oder Sehnsucht? Nennt mich Graff.“, knurrte er förmlich in unsere Richtung. Ich ließ diesmal Foret sprechen, den ich neben mir schnaufen hörte. „Aus Neugierde und aus Verantwortungsgefühl.“, donnerte der ältere Zwerg zu meiner Rechten los. „Bescheidenheit kennt ihr anscheinend nicht mehr. Euer Gebaren und wie ihr mit fremden Völkern umgeht, kommt mir reichlich respektlos und armselig vor. Früher ging es den Händlern um ein gutes Ein- und Auskommen. Ihre Freundlichkeit und ihr Geschick im Warenhandel füllten stundenlange Geschichten in den Tavernen der Vorväter. Ich erkenne euch darin nicht wieder.“ Alle im Raum schluckten. Foret hatte wahre Worte ausgesprochen, die ein paar Augenblicke benötigten, um verdaut zu werden. Der dritte Meister der Händlergilde begann zu lachen, wobei sein langer Pferdeschwanz am Hinterkopf wippte. „Ihr kommt also von so weit her, um uns eine Moralpredigt zu halten? Was dachtet ihr denn, was wir Händler tun würden, nachdem unsere Vorväter die alte Stadt verlassen hatten?“, fragte der Mann mit dem grauen Vollbart erheitert.

 

Böse und stumm blickte Foret die drei Gildemeister an, als Pelok sich zu Wort meldete. „Wir hatten keine Ahnung, was aus euch geworden war, werte Händler. In unserer Vorstellung hatte sich die Idee eines einfachen Handelspostens geformt. Nun sehen wir, dass diese ganze Stadt ein einziger Basar ist und ihr über die Geschicke der Leute hier bestimmt. Das ist nicht mit der zwergischen Art vereinbar. Ich bin enttäuscht von dieser Entwicklung.“, teilte er allen seine Eindrücke von Sajranzizar mit. „Dabei hatte ich mich auf den großen Markt gefreut, von dem mir mein Großvater einst erzählt hatte. Ihr wollt Zwerge sein? Mit einem Goblin habt ihr weitaus mehr gemein.“, gab Khûna wütend und traurig von sich.

 

Ich hatte mich die ganze Zeit zurückgehalten, doch auch ich war erschrocken über die Art, die diese drei Zwerge und auch ihr Adjutant im Foyer an den Tag gelegt hatten. Diese gönnerhafte Scharade, die mich an den vergangenen europäischen Adel erinnerte, widerte mich regelrecht an.

 

„Ich hatte vor, die Clans nach Takal Dûm einzuladen, um sie wieder zu vereinen. Mit Zwergen wie euch, weiß ich nichts anzufangen. Ich bin Daril, Sohn des Redin, Bewahrer der Eisenbinge und ich hatte gewiss nicht umsonst beinahe eintausend Sonnenläufe im Stein eingeschlossen überdauert, um zu scheitern.“, machte ich mir Luft.

Die drei Händler runzelten die Stirn, woraufhin einer nach dem anderen mich mit großen Augen und offenem Mund anblickte.

 

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