
Während ich mich an Meister Banduil wandte, suchte Linnarhan mit Galrond und Khûna das Gespräch. „Werter Meister dieser Schmiede, mein Anliegen mag womöglich etwas sonderlich erscheinen, doch ich möchte gern ein Schmuckstück für meine Begleiterin erschaffen. Für die künstlerischen Feinheiten benötige ich aber etwas Hilfe, da ich darin etwas unbeholfen bin.“, erklärte ich dem hochgewachsenen Mann meine Idee. Er schien zu schmunzeln und ein Lächeln zeichnete sich in seiner Miene ab. „Eine nette Idee, Herr Daril.“, bestätigte er mir. „Ihr dürft meine Werkstatt dafür gern benutzen. Für Rat und Hilfe stehe ich Euch ebenso gern zur Verfügung. Dass aber ein Zwerg nach handwerklichem Rat bei einem Elfen sucht, verwundert mich schon.“, erteilte mir der Elf die Erlaubnis und lachte schallend.
Ich nahm es mittlerweile als eine Selbstverständlichkeit hin, dass jeder Einwohner dieser Stadt Khuzdul sprach, sodass es mir erst jetzt wieder bewusst wurde, dass ich gerade mit einem Elfen gesprochen hatte. In den Anfängen der zwergischen Geschichte schärfte der Schmiedevater unseren Vorvätern doch ein, unsere Sprache nicht an andere Völker weiterzugeben. Ich erkannte aber, dass diese Weisung in der Gesellschaft Amon Calens an Bedeutung verlor und sich daraus eine neuartige Kultur entwickelt hatte, die auf Respekt und freundschaftlichen Umgang miteinander gründete.
Vom Schmiedemeister erbat ich mir einen Klumpen Eisenerz und einige Stücke Silber, ehe ich die Arbeit beginnen konnte. Der Schmelzofen war bereits angeheizt, als ich das Eisengestein einlegte. Während es schmolz, setzte ich mich im Schneidersitz vor den Ofen und bat Linnarhan zu mir. Wir hielten uns an den Händen und ich erzählte ihr mit geschlossenen Augen endlich, was ich vorhatte. „Ich möchte dir ein Geschenk machen, liebste Elfin. Dein schönes Haar hat mich dazu inspiriert, eine Art Haarspange für dich herzustellen. Es wäre sehr schön, wenn du mich auf diesem Weg begleiten würdest.“, eröffnete ich ihr mein Vorhaben.
Der Erzklumpen knackte im Ofen und schmolz in jenen Momenten, die Schlacke floss aus dem unteren Auslass des Ofens, das Rohmetall sammelte sich unter der glühenden Kohle. Das Feuer verbrannte die Verunreinigungen, wodurch die Qualität des Eisens stieg.
Der Ofen hatte einen dreiteiligen Aufbau, was eine erneute Beschickung erheblich vereinfachte. Die Kohlen lagen auf einem Rost, durch das das geschmolzene Metall rinnen konnte, um darunter in eine Auffangvorrichtung zu laufen. Die leichtere Schlacke lief über und fiel nach unten durch den Auslass.
Ein breites Lächeln zeigte sich im Gesicht der Elfin. „Das ist eine wundervolle Eingebung, liebster Zwerg. Natürlich stehe ich dir zur Seite, wenn ich kann.“, versprach sie mir.
Meister Banduil, Geselle Galrond und Lehrling Khûna bauten in der Zeit halbfertige Werkzeuge aus bereits erstellten Einzelteilen zusammen, wobei sie hin und wieder einen amüsierten Blick auf die Elfin und mich warfen.
Nun kam es zum anstrengenderen Teil der Arbeit, denn das Roheisen war ausreichend erhärtet, um es schmieden zu können. Mit einer langen Zange hielt ich das noch ungeformte Werkstück, das ich mit einem schweren Hammer in die gewünschte Richtung trieb. Die Schläge hallten dumpf von der Kuppeldecke wider. Immer wieder musste ich das Metall erhitzen, um letzte Einschlüsse auszubrennen, die erst bei der Bearbeitung aus dem Werkstoff hervortraten. Linnarhan bediente dabei unermüdlich den Blasebalg, da für ein gutes Ergebnis eine stete Luftzufuhr vonnöten war. Immer wieder tauchte ich das heiße Werkstück in den Wasserbottich, was jedes Mal brodelnd zischte und erhitzte es erneut. Stunden später, die Abendbeleuchtung erhellte wieder die imposante Stadt, war ich mit dem Ergebnis zufrieden. Die drei Handwerker verabschiedeten sich in die Nacht und wünschten uns gutes Gelingen.
Als ich mich mit der Qualität des Eisens zufriedengab, ging es daran, die Legierung zu erstellen. Nicht mehr als ein Teil Silber durfte ich einhundert Teilen des Eisens beimischen, sonst würde der Verbundwerkstoff nicht die gewünschten Eigenschaften erzielen. Deshalb hatte ich zuvor das Gewicht des Stahls abgewogen. Als Gegengewicht für die Balkenwaage standen gleichförmige Metallkugeln zur Verfügung, die Linnarhan und ich gemeinsam sorgfältig abzählten, um die Menge des Silbers richtig bemessen zugeben zu können. Erneut musste der Stahl verflüssigt werden, ehe das abgewogene Silber beigemischt werden konnte. Das weichere Silber schmolz sofort beim Kontakt mit dem Stahl, während ich das flüssige Metallgemisch im Tiegel mit einem langen Stab umrührte.
Dann konnte ich den Schmelztiegel aus der Esse holen, um die Legierung abkühlen zu lassen, bevor ich diese schmieden konnte.
Schmutzig und von der anstrengenden Arbeit gezeichnet schauten wir uns immer wieder an. Jedes Mal ein Lächeln und vor Glück strahlende Augen, deren Blicke sich trafen. Wir gönnten uns mitten in der Nacht unter dem leuchtenden Halbmond eine Pause und schlossen uns einmal mehr innig in die Arme. „Danke. Dabei sollte es ein Geschenk von mir an dich werden und du hilfst mir unermüdlich bei jedem Vorgang. Ich bin beeindruckt von dir, Liebste.“, sprach ich leise in ihr linkes Ohr. Sie drückte mich etwas fester an sich und entgegnete: „Ich denke, dass wir gemeinsam Wunderbares erschaffen können. Wie könnte ich dir dabei nicht zur Seite stehen? Dir bei der Umsetzung deiner Vorstellungen zu helfen, ist mir ein Bedürfnis.“ Mit jedem ihrer Worte beeindruckte mich diese Frau mehr. Wie sollte ich sie nicht lieben können?
Wir räumten die Schmiede und die Werkbänke auf, ehe wir zurück zur Taverne gingen, um noch etwas zu schlafen. Das Stück Silberstahl sollte bis zum Morgen abgekühlt sein, um es weiterzubearbeiten. Ich ließ den Tiegel neben dem Schmiedefeuer stehen und legte eine Notiz dazu, die ich in eine kleine Steinplatte gravierte.
Werkstück von Daril, Sohn des Redin und Linnarhan, das zu einem Symbol der Liebe geformt werden wird.
Dann machten wir uns auf den Weg, die Straße hinunter. Die Elfin schien beim Gehen zu tanzen, so leichtfüßig kam mir ihr Gang vor. Der sanfte Schein der Ranken an den Hauswänden und das Mondlicht erschufen dabei eine zauberhafte Wirkung auf mich. Wieder bewunderte ich Linnarhan und folgte ihr, da sie sich in der Stadt weit besser auskannte als ich. Bald erreichten wir die Wirtschaft, in der Cyria noch geschäftig ihrer Arbeit nachging und gerade den Tresen abwischte. „Ihr wart lange fort. Benötigt ihr noch etwas?“, erkundigte sie sich. Nun merkte ich, dass wir seit dem Frühstück nicht einen Bissen zu uns genommen hatten. Die Liebste richtete das Wort an die andere Elfin: „Es wäre nett, wenn wir noch etwas zu essen bekommen könnten, doch macht Euch bitte keine zu große Mühe, werte Cyria.“ Die dunkelhaarige hochgewachsene Frau bedankte sich für den bescheidenen Wunsch und begab sich in die Küche. Linnarhan und ich nahmen am nächstgelegenen Tisch Platz und warteten geduldig.
Bald kam die Wirtin mit einer Platte voll Brot und Gemüse sowie zwei dampfenden Suppenschüsseln, die sie zwischen uns auf den Tisch stellte. „Ich habe euch noch etwas von der übrig gebliebenen Tagessuppe aufgewärmt.“, bemerkte sie und frage noch: „Darf ich Getränke bringen?“ Zu einem Humpen Bier konnte ich nicht Nein sagen und Linnarhan fragte nach einem Becher Apfelwein. Beides brachte Cyria umgehend zu uns und fuhr damit fort, den Tresen zu putzen. Um die Wirtin nicht unnötig lange aufzuhalten, ließen wir uns nicht zu viel Zeit mit dem Nachtmahl und verabschiedeten uns kurze Zeit später, um unser Zimmer aufzusuchen. Nacheinander benutzten wir den Waschraum, ehe wir zu Bett gingen. Ich legte meinen Arm um sie, als ich mich an ihren Rücken kuschelte und erschöpft von der Arbeit schliefen wir schnell ein.
Der Tag begann, als noch grauer Dunst zwischen den Bergen hing, es wehte kein Wind, der die schwere Luft hätte vertreiben können. Gemächlich machten wir uns bereit für die nächste Phase unserer Arbeit an dem Haarschmuck.
Im Gastraum trafen wir auf Foret und Pelok, die gerade ihr Frühstück beendeten. „Guten Morgen. Ihr wart lange weg.“, begrüßte uns der ältere Zwerg. „Die Schmiede in der oberen Stadt hatte es uns angetan. Wir wollen die Arbeit noch fertigstellen, bevor wir uns anderen Dingen widmen.“, erklärte ich unser Wegbleiben. Linnarhan fragte direkt: „Habt ihr etwas zu berichten? Ihr wart doch gestern mit den Ratsleuten unterwegs.“ Pelok nickte aussagekräftig. „Wir hatten die Bibliothek besucht und mit den Schreibern gesprochen. Dass die Elfen hier Khuzdul sprechen, ist sicherlich auch euch aufgefallen. Ich bezweifle, dass dies dem Schmiedevater gefällt, doch die Erklärung ist simpel. Die Elfen kamen gut eintausend Jahre vor unseren Verwandten hier an und errichteten eine kleine Siedlung. Mit dem Auszug aus Takal Dûm gingen, wie allen bekannt ist, die Gilden ihre eigenen Wege und wurden zu den Clans, die sie heutzutage sind.“, begann der junge Zwerg mit seinem Bericht. Foret setzte fort: „Die Druiden sehnten sich nach einer harmonischen, naturnahen Gemeinschaft. Auf ihrer Wanderung nach Westen stießen sie auf die Elfen der Enklave der Ersten, die sie zwar unterstützen, aber nicht aufnehmen wollten. Von ihnen erfuhren unsere Druiden vom Bruch der Elfen untereinander und machten sich auf den Weg hierher.“
Linnarhan räusperte sich. „Die Ereignisse fanden zwar vor meiner Geburt statt, doch ich weiß davon. Die Ahnen der hiesigen Zwerge verließen die Enklave mit dem Kurier, der die Verbindung zwischen den Enklaven der Elfen aufrechterhielt. Durch ein Portal, das Foret und Daril auch benutzt hatten, kamen sie auf dem Steinkreis unweit von hier an.“ Überraschenderweise traten in diesem Moment Odiel und Elengruin ein und hielten auf uns zu. Wir begrüßten einander und ich bat die beiden Elfen, Platz zu nehmen.
„Wir sprachen gerade über die Geschichte von Amon Calen.“, sagte Pelok, als er den fragenden Blick des Elfen sah. „Wisst Ihr, woher die drei Tafeln stammen, die uns das Portal hierher erschufen?“, fragte ich nach.
Odiel nickte und begann mit ihrer Erläuterung: „Als die zwergischen Druiden durch das Portal am Steinkreis eintrafen, waren wir skeptisch, aber einige von uns waren bereits mit eurem Volk vertraut, da sie oft die Märkte besucht hatten, die auch vor dem großen Tor der Eisenbinge abgehalten worden waren. Auf diese Erfahrungen bauend, nahmen wir den Druidenclan bei uns auf und es ergab sich eine einzigartige Symbiose zwischen uns, die ihr heute hier erleben könnt. Die drei Tafeln, von denen ihr bei unserem Treffen im Turm gesprochen hattet, waren Teil eines Schreins gewesen, den wir in gemeinschaftlicher Arbeit errichtet hatten. Das Portal mit einem Magiestein zu aktivieren, war der Vorschlag der Zwerge, um eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten. Während des Baus des Lorenbahnnetzes durch die Steinformer gaben wir den Altar an sie weiter, um eine weitere Reisemöglichkeit bereitzustellen.“ Das leuchtete uns allen ein. „Was danach mit dem Altar geschah, war uns vor eurem Auftauchen nicht bekannt. Ihr hattet ja erzählt, dass die Tafeln nun als Türen einer Kommode fungieren. Das ist ungewöhnlich, aber ich denke, dass diese Funktion das Portal zusätzlich gut verbirgt.“, ergänzte Elengruin. Einvernehmlich nickten wir drei Zwerge, um die Einschätzung des Elfen zu untermauern. „Auf den Scheunenboden, wo ich den Schrank gefunden hatte, verirrt sich niemand hin.“, bestätigte ich selbstbewusst.
Die Bedienung, diesmal eine kräftig wirkende Zwergenfrau, machte sich am Tisch bemerkbar. „Möchte noch jemand frühstücken? Letzte Möglichkeit, bevor die Vorbereitungen für die Mittagszeit beginnen.“, rief sie in die Runde. Die beiden Ratsmitglieder meldeten sich und auch Linnarhan und ich bestellten noch etwas. Der Aufguss aus getrockneten Bergkräutern duftete wieder köstlich und mundete mir auch sehr. Ein süßes Brot und Fruchtkompott rundeten für mich das kleine Morgenmahl ab. Linnarhan nahm ein herzhafteres Frühstück zu sich, das aus einem Spiegelei und einer Gemüsebeilage bestand.
Nach der Mahlzeit begaben wir uns zurück zur Schmiede in der oberen Stadt, um dort unser Werk wieder aufzunehmen. Langsam wich der Nebel wieder, je länger die Sonne gegen die feuchtkalte Wand ankämpfte und das Licht sich seinen Weg bahnte. Die anmutige Leichtigkeit der Elfin berührte immer wieder mein Herz. Ich konnte meine Blicke kaum von ihr wenden.
Khûna stellte sich, die Hände auf die Hüfte gestemmt, vor der Schmiede auf, als sie uns kommen sah. „Ihr seid spät dran, Liebespaar!“, ermahnte sie uns frech. Banduil erschien, lachte und winkte. Wir kamen näher und er begrüßte uns: „Gut, dass ihr eine Nachricht hinterlassen hattet. Es muss spät gewesen sein, als ihr heimgegangen wart. Die Legierung hat mein Interesse geweckt, Herr Daril. Hart, aber formbar, ohne porös zu sein. Euer Verstand für das Handwerk beeindruckt mich. Der Amboss gehört nun Euch, bis ihr fertig seid.“ Ich dankte ihm ein weiteres Mal, dann begann ich mit der Bearbeitung des Barrens aus legiertem Stahl.
Zuerst erhitzte ich das Werkstück in der Esse, um es mit dem Hammer bearbeiten zu können. Das glühende Metall ließ sich tatsächlich sehr gezielt mit sanften Schlägen formen. Bevor es zu hart wurde, legte ich es zurück in die Kohlen, damit es wieder weich wurde. Ich gestaltete unter Linnarhans und Galronds Aufsicht eine gleichmäßig dicke Platte, die an den Außenkanten schmaler war als in der Mitte. Nun benötigte ich den Rat der Elfen. Galrond betrachtete die im Feuerschein blinkende Metallplatte, die nun auf dem Amboss lag.
Prüfend wandte er sich an mich: „Die Grundform hast du also erreicht, Zwerg. Ich muss sagen, dass dies ein beeindruckendes kleines Werk ist, dass du da erschaffen hast. Wie möchtest du es gestalten?“ Ich bedankte mich für das Lob mit einem Nicken und erläuterte ihm meine Vorstellungen: „Mittig wollte ich einen Lebensbaum darstellen, um den elfischen Aspekt zu betonen. Um den Baum herum dachte ich daran, geometrische Muster zu verwenden, die die zwergische Kultur symbolisieren sollen.“ Banduil hatte meine Gedanken dazu gehört und teilte uns seine Überlegungen mit. „Der Lebensbaum ist kein elfisches Symbol, sondern Teil der druidischen Lehre, die wir sowohl mit den Zwergen als auch mit den Menschen teilen. Hin und wieder kamen wir mit den einheimischen Menschen in Berührung und tauschten uns aus. Deine Vorstellung, die Zopfschließe zu gestalten, erinnert mich sehr an die Kunst der Kelten, die für lange Zeit diese Region besiedelten. Ihre Nachfahren hatten sich mit den später zugewanderten Volksgruppen immer mehr vermischt, aber sie konnten einige Aspekte ihrer Kultur bis heute bewahren. Mit wenigen Menschen, die uns wohlgesonnen sind, treffen wir uns noch gelegentlich.“, führte der Schmiedemeister aus.
Khûna schnappte sich kurzerhand einen Bogen Pergament und ein Stück Kohle, mit dem sie begann zu zeichnen. Die Form der Spange übertrug sie sehr genau, dann begann sie in der Mitte den Baum zu formen. Die noch freie Fläche füllte sie mit leicht verschnörkelten geometrischen Mustern auf. „Entspricht dies etwa deiner Vorstellung, Daril?“, fragte sie und ließ mir kaum Zeit mein Erstaunen abzuschütteln. Ich klappte den Mund einmal auf und wieder zu, ehe ich eine Antwort geben konnte: „Ja, das sieht meiner Vorstellung echt ähnlich. Wie übertrage ich nun dein Bild auf das Schmuckstück?“ Galrond bot erneut seine Hilfe an und legte eine andere Metallplatte auf den Amboss. Meine Arbeit übergab er an Linnarhan.
Mit einem kleinen Treibeisen und einem handlichen Hammer bearbeitete er das kleine Blech und formte präzise Muster hinein. Später wechselte er das Werkzeug. Das neue Eisen hatte eine noch feinere Spitze, mit der er kleinste Gravuren in das Werkstück trieb.
„Das ist das ganze Geheimnis. Man braucht nur etwas Fingerspitzengefühl und das richtige Werkzeug für die Bearbeitung. Probiere es aus.“, forderte er mich auch und hielt mir sein Übungsstück hin. Vorsichtig schickte ich mich an, Linien in das Blech zu treiben. Ich bemerkte, dass der bewusste Umgang mit dem Werkstück wichtig dabei war und teste die Möglichkeiten aus, ehe ich mich an die Spange wagte. Die drei Schmiede redeten mir gut zu und korrigierten meine Arbeit, wenn ich einen Fehler machte. Endlich traute ich mich daran, die Zopfschließe fertigzustellen. Mit der Zeichenkohle übertrug ich das Muster vom Pergament auf das Silberstahlblech, dann begann ich damit, den Baum mit dem feinen Treibeisen zu umreißen. Immer wieder schwenkte mein Blick zu meiner Liebsten, deren Lächeln mir Mut machte, mit der Arbeit fortzufahren.
Es musste Stunden gedauert haben, doch irgendwann tat ich die letzten sanft und hell nachhallenden Schläge mit Eisen und Hammer. Als Abschluss nahm ich noch ein Stanzeisen und einen schweren Hammer zu Hand, um die Löcher an den Außenkanten durch das Blech zu treiben. Am spitzen Ende des Ambosses zog ich das Blech noch in eine abgerundete Form, um einen Holzstab durch beide Löcher stecken zu können, der das Schmuckstück im Haar festhalten sollte.
„Woher könnte ich einen Stab aus Kirschbaumholz bekommen, der durch die Löcher passt?“, fragte ich an Banduil gerichtet. Er grinste. „Kirschholz ist eine gute Wahl, denn es ist robust und hat eine schöne Farbe. Einen Schreiner wirst du weiter oben finden. Nahe des Waldes gibt es eine Holzwerkstatt. Khûna, bring die beiden bitte dorthin. Bei Ponhorg muss noch etwas für mich abgeholt werden, was ja auf dem Weg liegt.“, schickte er seine Schülerin mit uns.
Ich ließ Linnarhan einen Blick auf die Arbeit werfen, ehe ich die fast fertige Schließe einsteckte. „Wunderschön, Daril. Ich freue mich darauf, sie tragen zu dürfen.“, war ihre Reaktion. Winkend verabschiedeten wir uns von den beiden Elfen. Zu dritt setzten wir uns in Bewegung und gingen dem Wald entgegen. Khûna ging voraus, während Linnarhan und ich händchenhaltend folgten.
„Dort ist Ponhorgs Holzwerkstatt.“, sagte die junge Zwergin und zeigte auf einen großen, dicken Baum, in dem eine Tür eingelassen war. Sie klopfte an, sobald wir die Kastanie erreicht hatten. Eine piepsige, eindringliche Stimme rief uns herein. „Bist du es Schmiedelehrling?“, blaffte das kleine Wesen Khûna an. Es war nur halb so groß wie ein Zwerg, trug einen ledrigen Hut, in dem ein Pfeil steckte und wirbelte durch den ausgehöhlten Baumstamm. Sein Körper wirkte menschenähnlich, doch glich seine Haut einer Baumrinde. Dieses koboldhafte Geschöpf war also Ponhorg.
„Ah, du hast Gäste mitgebracht.“, schrie der Waldgeist förmlich und keckerte schrill. Ohne Pause bewegte sich das Baumwesen durch die Werkstatt, dann rief es: „Banduils Auftrag findest du in der Kiste neben der Tür.“ Späne flogen durch die Luft, als Ponhorg nach einem Hobel gegriffen hatte. „Was wollen die Besucher?“, wandte er sich an uns, ohne innezuhalten. Ich versuchte mich zu konzentrieren, denn sein hektisches Gebaren bereitete mir einige Schwierigkeiten. „Ich benötige nur einen kleinen Stab aus Kirschholz, um dieses Schmuckstück fertigzustellen.“, sagte ich und zog die Schließe aus der Hosentasche. Er raste heran, warf einen Blick auf das Kleinod und begann in Kisten und Regalen zu kramen. Letztendlich griff er sich an den Kopf und zog den Pfeil aus seinem Hut heraus. Worte sprudelten in hohen Tönen aus seinem Mund: „Ist Kirschholz. Warte kurz.“ In einer seiner Hände drehte er den Holzschaft des Pfeiles, in der anderen Hand hielt er ein Werkzeug, mit dem er ihn bearbeitete. Während der Dauer nur eines Augenblickes drückte er mir bereits das Holz in die Hand. Ich war überrascht, wie schnell und gekonnt Ponhorg arbeitete. „Nun geht, ich habe zu tun. Danke für den Besuch und die kleine Ablenkung. Husch!“, komplimentierte er uns mit seiner piepsigen Stimme aus der Werkstatt. Mit einem weiteren schrillen Keckern fiel die Tür hinter uns wieder zu, als wir draußen standen.
Ich versuchte den kleinen Holzstab mit dem Metallstück zu kombinieren und verblüfft stellte ich fest, dass er perfekt dazu passte. Die Länge und sie Stärke schienen genau abgemessen zu sein und die Spitzen waren abgerundet.
So präsentierte ich Linnarhan das Schmuckstück, indem ich vor ihr kniete und die Schließe ihr mit beiden Händen entgegenhielt. Sie belohnte mich mit einem wundervollen, glücklich wirkenden Lächeln. „Das ist wundervoll geworden. Kannst du sie mir anlegen?“, fragte sie mit leuchtendem Blick. Ich erhob mich und sie kniete sich vor mich hin, damit ich ihre Haare zusammennehmen und die Schließe anlegen konnte. Das silbrige Metall glänzte in der Sonne, als sich die Elfin wieder aufrichtete. Der Schmuck betonte ihre dunkelblonden langen Haare sehr schön, wie ich fand. Dann drehte sie sich zu mir um, beugte sich zu mir herunter, dass sie mir direkt in die Augen sehen konnte und drückte mir einen Kuss auf den Mund.
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