
Ich wachte auf, als sich erste Sonnenstrahlen durch den Nebel tasteten, Linnarhan strich mit ihren Fingern sanft durch meinen dichten Bart und lächelte mich an. Das Licht des Morgens brach sich in ihren bräunlichen Augen und zauberte damit ein magisches Glitzern in ihren Blick.
„Wir werden einige Tage in der Stadt bleiben, ehe es nach Süden zu den Händlern geht. Hast du Verpflichtungen oder können wir die Zeit miteinander verbringen?“, fragte ich die wunderschöne Elfin. Sie lachte amüsiert, ehe sie antwortete: „Auch wenn ich bereits einige Jahre hier verbracht habe, genieße ich immer noch den Status eines Gastes. Ich bin nicht in das Tagesgeschehen eingebunden. Wir können reden, uns die Stadt und die Umgebung ansehen, wenn du magst. Ich fühle mich glücklich, seit wir uns gestern in die Arme schließen konnten und ich möchte von dem, was du erlebt hast, mehr erfahren, Daril.“ Mir erging es ebenso. Dieses erhebende Gefühl in der Brust ließ nicht nach und jeder ihrer Blicke und jede Berührung machten die Erfahrung intensiver. Ich hatte wahrlich die Liebe gefunden, in einer Elfin.
Ich nickte. „Meine Gefühle für dich machen mir das Herz leicht, ich genieße jeden Moment, den wir haben. Lass uns nach unten gehen und etwas frühstücken. Dann machen wir einen Spaziergang durch Amon Calen. Ich bin gespannt, was es hier zu sehen gibt.“, teilte ich ihr meine Entscheidung mit.
Nebenan gab es einen Waschraum, der zu dem Zimmer gehörte. Während die Elfin sich frischmachte, streckte ich mich noch einmal im Bett aus und genoss das durch das Fenster scheinende Sonnenlicht. Als sie wieder zu mir zurückkam, setzte ich mich auf.
„Ich bin gleich wieder da.“, verabschiedete ich mir zur Morgentoilette.
Der Waschraum war zweckmäßig eingerichtet, sodass Zwerge und Elfen ihn problemlos nutzen konnten. Unter dem Waschtisch, der wirkte wie aus der Wand gewachsen, fand ich einen Hocker, mit dem ich den Höhenunterschied ausgleichen konnte. Als ich den Hebel der daneben installierten Handpumpe bediente, sprudelte das Wasser einem Springbrunnen gleich hervor. Das kühle Nass fühlte sich gut an und vertrieb die restliche Müdigkeit aus meinem Körper. Ich wusch mich, dann schlüpfte ich in frische, bequeme Sachen. Ein Hemd aus Leinen mit kleinen Stickereien am Kragen und eine Latzhose aus grauem Schnürlsamt wählte ich aus. Meinen Gürtel legte ich ebenfalls an, doch ohne all das übliche Werkzeug, nur den Lederbeutel behielt ich am Riemen. So präsentierte ich mich kurze Zeit später meiner geliebten Elfin, mit der ich gemeinsam hinunter in die Schankstube ging.
Foret, Pelok sowie auch Dorik und Filoscha hatten bereits an einem der längeren Tische Platz genommen. Cyria, die Wirtin brachte gerade eine Kanne mit dampfendem Kräuteraufguss zu ihnen. Der angenehme Duft stieg mir sogleich in die Nase, als sie damit an uns vorbeiging. „Setzt euch, dann sagt mir, was ihr mögt.“, lud sie uns freundlich ein. Wir gingen zu unseren Freunden und den neuen Bekannten, die uns freudig winkend begrüßten. „Guten Morgen. Schön, dass ihr da seid.“, kam von Pelok, die anderen Zwerge nickten.
„Ich wollte nach dem Frühstück Daril die Stadt zeigen. Gern dürft ihr uns begleiten.“, bot Linnarhan meinen Begleitern an. Doch sie lehnten dankbar ab. Foret nickte zu Filoscha und meinte: „Wir schauen uns mit den beiden Ratsmitgliedern um. Dabei wollen wir etwas über die Geschichte der Stadt in Erfahrung bringen. Ihr dürft euer Wiedersehen auskosten. Mich freut es, dass Ihr hier seid, werte Linnarhan.“
Bei der Wirtin fragten wir nach Gebäck und Fruchtkompott. Sie bot auch Pilzaufstrich und frisches Gemüse an, wovon Foret probieren wollte.
Beim Essen unterhielten wir uns zwanglos und bestätigten dabei Peloks Vorschlag, noch zwei weitere Tage in der Stadt zu verweilen. Als wir uns anschickten, die Taverne zu verlassen, wünschte Cyria uns eine angenehme Zeit und begann den Tisch abzuräumen.
Die vier Zwerge lenkten ihre Schritte hinunter zum Turm, in dem wir am Vortag unsere Pläne besprochen hatten. Linnarhan und ich hielten uns rechts und gingen die Straße hinauf.
Das kombinierte Muster aus gewundenen Ranken und klar umrissener geometrischer Struktur zog sich durch die gesamte Stadt. Jeder Türbogen, jedes Fenster wurde davon umrahmt. Linnarhan erklärte mir, dass es sich dabei um die abendliche Stadtbeleuchtung handelte. Dass die Ranken in der Dunkelheit leuchtete, war mir bereits aufgefallen, doch nicht, dass es die gesamte Siedlung betraf. „Sobald die Sonne untergeht, beginnen die Ranken zu leuchten. Das sanfte Licht, das sie verbreiten, ist vollkommen ausreichend, um sich orientieren zu können und stört niemanden im Schlaf.“, erklärte sie mir. Mir kam eine Frage in den Sinn: „Waren die Elfen zuerst hier?“ „Ja.“, gab sie zu, „Die Zwerge erreichten Amon Calen einige Jahrhunderte später als meine Verwandten. Der Bruch der Druiden mit den Ersten liegt schon sehr lange zurück. Als sich die Zwerge hier ansiedelten übernahmen sie die elfische Bezeichnung, nur für fremde Zwerge benutzen sie eure Übersetzung ‚Danakh’abad‘.“, wusste sie zu berichten. Einige Zwerge und Elfen in braunen Roben, geschmückt mit grünen Stickereien an den Säumen, kamen uns entgegen und grüßten freundlich.
Die Sonne stieg allmählich höher über die Stadt. In den Adern des hellen Marmors, mit dem manche Gebäude getäfelt waren, blinkte es grünlich und rötlich, was uns einen wundervollen Anblick bescherte. Einschlüsse von Kupfererz ermöglichten dieses faszinierende Spiel von Licht und Farbe auf dem hellen Untergrund. Die wenigen frei stehenden Häuser waren mit roten Ziegeln gedeckt worden, die den Glanz des Kupfers noch untermalten.
Eine frische Brise brachte die salzige Luft des nahen Meeres mit, die sich zusammen mit den Gerüchen der Stadt und des Waldes zu einer aromatischen Mischung entwickelt hatte, die angenehm nach Moosen, Algen und gekochtem Essen duftete.
Lachende Kinder strebten hinter uns die breite Straße hinauf, deren gute Laune mich mitriss. Schwatzend gingen die jungen Zwerge und Elfen an uns vorbei, deren Sprache ich nur halb verstand. Linnarhans Lächeln, als sie mich ansah, tat das Übrige, um mir ein Gefühl des Glücks zu bescheren. „Es ist schön, dich bei guter Laune zu erleben, Daril.“, merkte sie an. „Es ist selten, dass ich meinen Optimismus verliere. Ohne die wahrlich wichtigen Momente im Leben zu würdigen, wäre es doch wenig lebenswert. Wenn es die Lage erfordert, gehe ich voran und tue, was getan werden muss. Auch fröhliche Kinder sind für mich ein Grund, das Gute und Schöne im Leben zu bewundern.“, entgegnete ich, indem ich meine Einstellung versuchte zu beschreiben. Ich glaubte, eine kleine Veränderung bei meiner Begleitung festzustellen, denn sie kam mir ein wenig unbeschwerter vor, da ihr Lächeln, das sie mir entgegenbrachte, befreiter und offener wirkte.
Leichten Schrittes ging die schöne Elfin nun voran und ich folgte ihr. Weil sie ihr dunkelblondes langes Haar offen trug, zog ihr der leichte Wind immer wieder einzelne Strähnen in das Gesicht, weshalb sie diese aus ihrem Sichtfeld streichen musste. Dies war einer der Momente, in denen ich ein weiteres Mal bemerkte, wie sehr ich in Linnarhan verliebt war.
„Gibt es in der Nähe eine Schmiede?“, fragte ich, als ich sie eingeholt hatte, denn mir kam in den Sinn, ihr ein Geschenk zu machen. Mit einer Spur Überraschung in der Stimme antwortete sie mir: „Ja, natürlich gibt es hier Schmieden, doch wo genau, das wissen die Einwohner sicher besser. Möchtest du deine Ausrüstung reparieren?“ Ich lächelte sie immer noch an. „Ich möchte dort gern etwas versuchen.“, bemühte ich mich um eine ungenaue Antwort. Aus einem der Hauseingänge rechts von uns kam eben eine Zwergin in lockerer Kleidung, zu der sie lederne Armstulpen trug. Ich sprach sie an: „Grüße. Wo finde ich die nächstgelegene Schmiede, werte Bewohnerin der grünen Berge?“ Sie musterte mich eingehend, ehe sie Antwort gab. „Ihr seid nicht von hier, das sehe ich. Sucht ihr etwas Bestimmtes?“ Pflichtbewusst stellte ich mich und meine Begleiterin vor: „Das stimmt. Ich bin Daril, Sohn des Redin. Meine Freunde und ich besuchen die Siedlungen unserer Brüder und Schwestern, deren Vorfahren aus Takal Dûm kamen. Linnarhan hier führt mich durch eure schöne Stadt. Euer Handwerk hat mein Interesse geweckt.“ Sie nickte und ihre kurzen dunklen Zöpfe schwangen dabei hin und her. „Kommt, ich arbeite in der Schmiede von Banduil und wollte gerade dorthin. Ich nehme euch gern mit.“, bot sie freimütig an. In ihrer Aussprache schwang der melodiöse Klang der Elfensprache mit.
„Ich bin übrigens Khûna, Lehrling der Schmiedekunst im zehnten Jahr bei Meister Banduil. Wir verbinden die Kunstfertigkeit der Elfen mit dem soliden Handwerk unserer zwergischen Vorfahren, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, die auch noch hübsch anzusehen sind.“, stellte sie sich und ihren Beruf vor, während wir den oberen Teil der Stadt durchquerten. Auch hier war an jeder Fassade das Muster aus Ranken und klarer Kontur zu sehen, das in der Dämmerung zu leuchten begann. Im Licht der Mittagssonne bekam ich mit, dass die Kontur mit Kupfer ausgelegt war, in der die Ranken eingebettet waren. Das unterstütze die Wirkung des rotgrünen Schimmers im Sonnenlicht. Leise nahm ich aus der Ferne das Schlagen von Hämmern auf Metall wahr, das lauter wurde, je weiter wir gingen und Khûna folgten. Ich grinste in mich hinein, weil ich meine Liebste zu überraschen gedachte, doch Heimlichtuerei lag mir nicht sonderlich, denn Linnarhan schien zu ahnen, dass ich einen Plan hatte. „Du wirst es mich wissen lassen, wenn es soweit ist, mein lieber Zwerg. Ich weiß, dass du etwas ausbrütest.“, scherzte sie mit mir.
Die Schmiede kam in Sicht. Nicht zu übersehen befand sich der runde, halb offene Bau im Zentrum eines kreisförmigen Platzes. Die Feuerstelle und der Amboss bildeten eine Einheit in der Mitte der kuppelartigen Bedachung, aus der ein qualmender Schlot ragte. Der Rhythmus des Hammerschlages entfachte ein weiteres Feuer in mir, denn längere Zeit hatte ich nicht in einer Schmiede gestanden.
Zwei Elfen waren mit einem Werkstück zugange, als Khûna mit uns den Arbeitsbereich betrat. Das halb geformte Stück Metall ließen sie zum Abkühlen ins Wasser gleiten, dann sprach die Zwergin die beiden an: „Meister Banduil, Galrond! Ich habe Besuch mitgebracht. Daril möchte sich mit Euch unterhalten.“ Ich deutete den Elfen gegenüber eine Verbeugung an. „Ich möchte nur gern meine bescheidenen Kenntnisse erweitern. Zu Diensten, ich bin Daril.“, stellte ich mich vor. Linnarhan grüßte zurückhaltend.
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