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38. Der Lohn der harten Arbeit

KI-generiertes Bild mit Canva
Ein geselliges zwergisches Abendessen (KI-generiert)

Auf dem Weg zur Metzgerei erzählte Gegra von ihrer Arbeit, die wichtiger war, als es zu Beginn unseres Aufeinandertreffen den Anschein hatte. Die dunkelhaarige Zwergin mit den dicken Zöpfen berichtete, dass sie den Warenverkehr zwischen den Ställen und der Metzgerei beaufsichtigte und koordinierte. Seit wir angekommen waren, hatte sie alle Hände voll zu tun und heute war ihr erster etwas ruhigerer Tag seitdem wir uns in der Stadt aufhielten. „Es gab schon einigen Tumult, als ihr beide auftauchtet. Natürlich sollte euch als unseren Gästen nur das Beste serviert werden. An Fleisch und anderen tierischen Produkten sollte es da nicht fehlen. Gemeinsam mit Pifur wählte ich die zu schlachtenden Tiere aus. Dokar der Metzgermeister und ich erstellten eine Liste mit den zu erstellenden Fleisch- und Wurstwaren. Von den Tieren wird bei uns nichts verschwendet. Wenn wir sie schon töten, dann wird auch alles verwertet. Fell und Haut werden zu Kleidung und Behältern verarbeitet. Alles Fleisch, das nicht frisch zubereitet wird, wird haltbar gemacht. Ich weiß, dass die Arbeit im Schlachthof und in der Metzgerei nicht jedermanns Sache ist, weshalb nur wenige Zwerge dort ihren Beitrag zur Gemeinschaft leisten. Diese Leute verstehen daher umso mehr von ihrem Handwerk und werden bei uns sehr geachtet.“, berichtete sie sachlich. Foret gab ein Knurren von sich und brachte sie dazu innezuhalten. „Ja, Foret?“ Er fasste sich ein Herz und sprach: „Achtung für die Metzger. Was ist mit mehr Achtung für die Versorger, die hier den ganzen Laden am Laufen halten? Sie sind doch jene, auf denen sich eure Gemeinschaft gründet.“ Er wirkte aufgebracht, was ich verstehen konnte. Gegra wirkte mit einem Male betroffen und antwortete mit einem leichten Beben in der Stimme. „Ja, uns Versorger findet man überall. Wir erfüllen jede noch so kleine Aufgabe und sind uns für nichts zu schade. Habt ihr euch schon gefragt, warum der Älteste Kulo dem Rat vorsteht? Nicht die älteste Person des Rates wird zum Vorsitzenden, sondern immer der älteste Versorger. Nicht jede Gruppe findet diese Regelung richtig, doch sie wird der Bedeutung meines Berufsstandes gerecht. Wir unterstützen jeden unseres Volkes. Wir sind jene, deren Vorfahren nicht der Gilde der Ernährer entstammen. Wir sind jene, die die Gewerke verbinden, das Flechtwerk, das den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wahrt. Pelok erzählte mir bereits, von eurer Unterhaltung mit Meister Glondil. Ihr seid ehrenhaft, doch wisst ihr nicht viel über die Organisation unserer Gesellschaft, die von den Gegebenheiten der Vorfahren abweicht.“, belehrte sie uns freundlich und bestimmt. Diese junge Frau überraschte mich sehr mit ihrem Wissen und Können und ich kam mir etwas dumm vor. Foret schaute nach ihrer Ansprache auch etwas bedröppelt aus.

 

Mit festem Blick schaute Gegra uns noch einmal an, ehe sie sich wieder umwandte und den Weg fortsetzte, der nun in einen breiten Tunnel führte. Das helle Licht der Leuchtbeeren ließen wir hinter uns, als der fahle gelbgrüne Schein der Kristalladern uns durch den langen Gang leitete, der nach einigen stummen Minuten in einer hellen, geräumigen Halle endete, in der geschäftiges Treiben herrschte. Wände, Decke und Boden waren glatt geschliffen, in den Ecken befanden sich Abflüsse und im Zentrum des großen Raumes stand eine gigantische Wasserpumpe. Ringsherum waren vier metallene Bänke aufgestellt, an denen Zwerge Schafe und Schweine zerteilten. Andere Arbeiter brachten die vorbereiteten Teile schnell fort. „Es muss zügig gearbeitet werden, damit nichts verdirbt. Die Abläufe hier sind festgeschrieben und dürfen nicht gestört werden. Sobald Dokar soweit ist, können wir mit ihm sprechen.“, erklärte die Koordinatorin.

Mir fiel auf, dass kaum ein Zwerg im Schlachthaus einen Bart trug, wenn doch, dann war dieser eher kurz oder fest geflochten. ‚Es wäre auch unschön, wenn man in seiner Mahlzeit ein Barthaar eines fremden Zwerges finden würde.‘, dachte ich bei mir. Der Arbeitsablauf glich in meinen Augen einer ausgeklügelten Choreografie, sodass es nicht lange dauerte, bis Meister Dokar uns zu sich winkte, nachdem er seinen Arbeitstisch gereinigt hatte. „Shamukh!“, begrüßte er uns. „Ihr habt bereits gesehen, wie hier gearbeitet wird. Wir machen mit euch einen Rundgang, aber ihr werdet hier nicht arbeiten, weil das unsere eingespielten Abläufe stören würde. Außerdem muss die Reinheit der Fleischwaren gewahrt bleiben. Ich glaube, ihr versteht das.“ Er hob seine breiten Augenbrauen, die am Kopf die einzige Behaarung ausmachten. „Gegra begleitet uns.“, legte der Metzgermeister fest. Gleichzeitig nickten wir drei und folgten dem Glatzkopf. „Hier im Schlachthof werden die Tiere getötet, gehäutet und zerteilt. Wir schlachten nur zu besonderen Anlässen, ihr seid aktuell der Grund.“ Ich wusste nicht, ob mich geehrt oder betroffen zeigen sollte, denn Dokar ließ keine Gefühlsregung erkennen. Er setzte mit seinen Erklärungen fort: „Die Häute und Felle bekommen die Lederverarbeiter. Wir bemühen uns, möglichst alles vom Tier einem Zweck zuzuführen. Die Knochen werden letztendlich gemahlen und als Dünger genutzt. Wir wollen den Kreislauf der Natur nicht unnötig stören, wissen aber Fleisch als Nahrung sehr zu schätzen. Ebenso benötigen wir robuste Kleidung. Wenn wir nun acht Tiere schlachten, haben wir reichlich Nahrung und Material für eine Weile. Die vier hohen Feste im Jahr sind genug Anlass, um uns gut mit allen tierischen Ressourcen zu versorgen.“

 

Ein kleiner Durchgang trennte den Schlachthof vom Rest der Metzgerei. Dokar ging voran und zeigte uns, wo seine Arbeiter das Fleisch pökelten und verwursteten. Es duftete stark nach allerlei Gewürzen in der kühlen Luft. Jeder Handgriff der Metzger war vielfach geübt und mir kam es ein wenig wie Zauberei vor, wie sie ihrer Arbeit nachgingen. Dokar erklärte uns, was wir sahen: „Ständig werden unsere Rezepturen verfeinert, aber im Grunde halten wir uns an die Vorgaben unserer Ahnen, die bereits viel von ihrem Fach verstanden hatten. Die Geschichte besagt, dass Menschen uns das Metzgerhandwerk nahegebracht hatten, da unsere traditionelle Ernährung nur aus Pilzen und Wurzeln bestand. Bei vielfachen Kontakten mit dem großen Volk fanden unsere Vorfahren Geschmack an Fleisch und dessen Zubereitung, so übernahmen sie es von den Menschen und verfeinerten das Gelernte.“ Im hinteren Teil dampften große Kessel vor sich hin. “Dort werden die Brühwürste gekocht.“, sagte er mit einem Fingerzeig auf den Kochbereich. „Hinter der Tür auf der rechten Seite befinden sich die Räucheröfen und ein Dörrbereich, wo wir länger haltbare Fleischwaren herstellen.“ Er ließ uns bis an die Tür herankommen, die ein Sichtfenster hatte. „Das Räuchern und Dörren erfordert viel Sorgfalt, damit wir am Ende eine einwandfreie Ware erhalten. Frischfleisch und rohe Wurstwaren werden so schnell wie möglich gekühlt und den Köchen zur Verfügung gestellt. Damit habt ihr alles gesehen, was es hier zu sehen gibt. Ich habe noch weitere Verpflichtungen.“, beendete er kurz angebunden die Führung. Gegra nickte und führte uns an den duftenden, dampfenden Kesseln vorbei in Richtung Ausgang. Dort drückte ein Arbeiter jedem von uns noch eine Dauerwurst in die Hand. „Lasst sie euch schmecken.“, verabschiedete er uns aus der Metzgerei und wir verließen den Raum, an dem ein einfacher Tunnel anschloss, der in dem Areal mündete, in dem die Hängeloren wieder ratternd über unseren Köpfen hin und her glitten. „Ich bringe euch noch zur Unterkunft.“, teilte die Frau mit den drei Zöpfen mit und ging voran, während sie leise eine Melodie summte, die mir irgendwie bekannt vorkam.

In meinem Zimmer machte ich mich frisch, ehe ich wieder nach unten in den Aufenthaltsraum ging, in dem Glondil und Lopa wieder ihren Beschäftigungen nachgingen. Mit einer Verbeugung grüßte ich Lopa und bedankte mich für die frisch gewaschene Wäsche, was sie mit einem freundlichem Lächeln quittierte. Auch Gegra war noch geblieben und unterhielt sich leise mit Meister Glondil. Bald kam auch Foret wieder herunter und gesellte sich zu uns. „Der Tag war heute weder sehr beschwerlich noch besonders lang. Es tut gut, etwas Ruhe genießen zu dürfen. In wenigen Tagen werden wir unsere Reise fortsetzen und ich bin schon gespannt, wohin sie uns führen wird.“, plauderte er drauflos. Ich grinste ihn an, mahnte ihn aber, die Ruhe zu bewahren. Die Woche bei den Ernährern war schließlich noch nicht vorbei. „Den morgigen Tag werden wir mit den Versorgern verbringen.“, erinnerte ich meinen Freund und blickte dabei auf Meister Glondil, der bestätigend nickte. „Richtig. Nach dem Frühstück werden Gegra und ich uns um euch kümmern.“, fügte er hinzu.

 

Wir unterhielten uns noch eine geraume Weile, bis Glondil und darauf aufmerksam machte, dass bald das Abendessen im großen Speisesaal beginnen würde. Foret und ich verbeugten uns knapp zum Abschied und wir machten uns auf den Weg zu den Ältesten.

Heute blieb es im Vergleich zu den vorangegangenen Abenden recht ruhig beim Essen. Man tauschte wieder Höflichkeiten untereinander aus und genoss das fabelhafte Mahl, zu dem auch diesmal ein vorzügliches Bier gereicht wurde. Das dunkle malzige Bräu harmonierte vortrefflich mit den gebratenen Würsten, dem Kohlgemüse und dem Wurzelstampf. Auch hier konnten wir uns nur schwer trennen, um den Weg zu unseren Betten anzutreten. Das Volk Ubâr Dûms hatten wir schon sehr ins Herz geschlossen.

Am nächsten Morgen wurden wir überraschenderweise von Meister Glondil geweckt, der mit einem dampfenden Kessel durch die Räume ging, der einen süßlichen und zugleich herben Duft verströmte. „Das Frühstück ist gleich fertig, junge Freunde!“, gab er ruhig und dennoch nach Eile fordernd bekannt. Mir fiel es nicht schwer, aufzustehen und war innerhalb weniger Augenblicke angezogen. Nur kurz darauf betrat ich den Gemeinschaftsraum, wo Gegra und Lopa geschäftig am Werk waren. Zum heißen Kräuteraufguss reichten sie deftiges Zwiebelbrot und Frischkäse, dazu konnte man sich an handverlesenen Beeren bedienen. Foret erschien kurz nach mir am Tisch, der gerade fertig eingedeckt worden war. Die drei Versorger setzten sich zu uns, während wir es uns schmecken ließen. „Pelok wird später zu uns stoßen.“, informierte Gegra uns. „Er holt noch seine Sachen aus der Altstadt und verabschiedet sich von Ulgra, die ihn sicherlich nicht gern ziehen lässt.“

 

Nach dem Frühstück halfen wir den Versorgern dabei, alles aufzuräumen und zu säubern. Foret folgte Gegra und Meister Glondil, der meinen Freund kurzerhand rekrutierte. Mit Lopa ging ich dann nach oben, um die Unterkünfte in Ordnung zu bringen. Währenddessen ergab sich ein Gespräch: „Ihr habt in der Stadt große Aufregung mit eurem Besuch verursacht, Herr Daril. Wir hatten kaum noch daran gedacht, dass es noch irgendwo andere Zwerge geben könnte, geschweige denn, dass sie Kontakt zu uns suchen. Seit unsere Ahnen sich hier niedergelassen hatten, war es normal für uns geworden, ein isoliertes Leben zu führen.“ Ich nickte verständnisvoll und entgegnete: „Die ältere Geschichte unseres Volkes zeigt uns, dass es einfacher ist, unter sich zu bleiben. Die meisten Begegnungen mit Menschen verliefen nicht sehr vorteilhaft, obwohl es einige gute Beispiele gibt. Ihr Gemüt und Wesen sind vielfältig, weshalb man niemals zwei miteinander gleichsetzen kann. Die Elfen wirken zwar etwas distanziert und abschätzig, doch das liegt in ihrer Natur. Mit ihnen kann man gut auskommen, denn sie sind edel und weise. Wir sollten uns nicht der Außenwelt verschließen, obwohl ein kritischer Blick dabei wichtig ist.“ Die junge Frau lächelte mich offen an. „Das ist klug gesprochen und zeugt von vielerlei Erfahrungen in der Oberwelt. Ihr solltet darüber mit dem Ältestenrat sprechen.“, schlug sie vor. Darüber dachte ich kurz nach und beschloss dies auch bald zu tun.

 

Als die Arbeiten erledigt waren, brachte Lopa mich zu Foret, Gegra und Glondil, die am Aufgang zu den Feldern die Transportanlage kontrollierten. Einige Rollen mussten ersetzt werden, denn die ständige Belastung sorgte für eine große Beanspruchung der Bauteile. Gegra winkte Lopa und mich heran, während ein Techniker Foret erklärte, was er gerade tat. Glondil nickte und teilte mit: „Wir sind gleich soweit. Die Strecke kann in wenigen Augenblicken wieder in Betrieb genommen werden. Es kommt hin und wieder vor, dass etwas ersetzt werden muss. Die regelmäßige Wartung verkürzt die Ausfallzeiten sehr.“ Kaum hatte er das gesagt, ratterte die Anlage nach einem lauten Klickgeräusch los. Gegra danke dem Mechaniker, der sich anschickte, weiterzuziehen. Foret, Glondil und ich nickten ihm zu bevor er ging. Der Gildemeister wies den Weg und wir folgten ihm, während er erzählte. „Ihr hattet es bereist richtig gesehen, dass wir Versorger und darum kümmern, dass in der Stadt alles reibungslos läuft. Die Ernährer allein haben zwar grundlegende Kenntnis, aber ohne die Unterstützung der Steinformer, Druiden, Erzformer, Wissenden, Feuerlenker und Händler hätte diese Gemeinschaft, wie sie heute besteht, nicht aufgebaut werden können. Die Spezialisierung hat Vorteile gebracht, doch ist sie unbrauchbar, wenn ein Rad im Getriebe fehlt. Nur das Zusammenwirken, wo jedes Können benötigt wird, formt erst eine echte Gemeinschaft. Auch wenn Ubâr Dûm die Heimstatt der Ernährer ist, haben wir die alten Traditionen nicht vergessen und fördern bei jedem Bewohner die eigenen Interessen und Fähigkeiten. So manch ein Zwerg verbindet sein Können als Koch oder Brauer mit seiner Freude an der Schmiedekunst. So gehört es auch dazu, dass jeder Koch zum Ende seiner Ausbildung ein selbst erstelltes Kochutensil zu fertigen hat. Sei es ein Topf, eine Pfanne oder auch nur ein Schöpflöffel.“ Beim letzten Wort bliebt er vor einem Torbogen stehen und bat uns, den Raum dahinter zu betreten.

 

Die Mitte dominierte eine wuchtige Werkbank aus Holz, entlang der bearbeiteten Felswand zog ich eine Arbeitsfläche, die aus dem Gestein getrieben worden war. Allerlei metallene Kleinteile und verschiedenstes Werkzeug lag über die Tische verteilt. Ein Ofen mit glühenden Kohlen verbreitete Wärme, die schnell das ertragbare Maß überstieg. Ein Arbeiter war gerade dabei, geschmolzenes Metall aus der Glut zu holen und in eine Form zu füllen.

„Willkommen in der Werkstatt. Ich bin Turis. Gorns Sohn. Hier werden kleinere Ersatzteile für unsere Maschinen und Werkzeuge hergestellt. Alle denkbaren Reparaturen bereiten wir hier vor, um sie vor Ort möglichst schnell erledigen zu können. Ob in der Küche, der Metzgerei oder für die Lorenbahn, wir kümmern uns um alles, was mechanisches Feingefühl benötigt.“, begrüßte er uns redselig.

Glondil lächelte und nickte. „Danke, Turis.“, beendete der Gildemeister den Wortschwall des Handwerkers. „Unsere Freunde sollen erfahren, was wir als Versorger so tun, einige Stationen haben wir noch vor uns.“, sagte er und verließ die Werkstatt wieder, wobei er uns zu verstehen gab, ihm zu folgen. „Auf dieser Seite der Stadt haben wir unsere Lager und Arbeitsräume. Dort ist eine Schneiderei, da hinten befindet sich die große Schmiede und gleich neben uns gehen die Holzarbeiter ihrem Tagewerk nach.“, erklärte Glondil kurz. „Es tut mir leid, so kurz angebunden sein zu müssen. Mir fiel eben noch ein, dass ich zu einem Treffen mit den Ältesten eilen muss. Ich hatte die Zeit vergessen. Lopa und Gegra, bitte übernehmt die Führung. Wir sehen uns später.“

Schneller als man es bei dem alten Mann für möglich gehalten hatte, entfernte er sich von uns in Richtung des Rathauses.

Etwas verdutzt schauten wir uns an und setzten mit den beiden Zwerginnen den Rundgang fort. In meinen eigenen Gedanken versunken folgte ich der Gruppe. Mir fehlte etwas, wovon ich in jenem Moment noch nicht wusste, was es sein könnte. Der Tag endete wie gewohnt mit einem großen gemeinsamen Mahl.

 

Die letzten zwei Tage flogen nur so dahin. Jeder lobte unser Tun und unsere Freundlichkeit, während Foret und ich einfach nur unseren Beitrag zur Gemeinschaft der Ernährer leisteten. Pelok konnte seine Aufregung über den Weggang aus seiner Heimat nicht mehr verbergen, denn bei jeder Gelegenheit gefragte er einen von uns beiden über die Außenwelt. Ich begann damit, ihm von meinen Erfahrungen mit den Menschen zu berichten, die guten und die schlechten. Der junge Zwerg schien darüber viel nachzudenken und erzählte mir von seinem unschlüssigen Bild, das er von den Großen gewonnen hatte. "Aus den Menschen werde ich nicht schlau. Einerseits erschaffen sie langlebige Bauwerke, zum anderen zerstören sie diese wieder mutwillig ohne ersichtlichem Grund. Auch ihre gesellschaftlichen Strukturen haben keinen Bestand, bis auf die Sache mit den Königen, die schließlich oft in Konkurrenz zueinander stehen, meist zu Lasten ihrer Völker." Mein langsames Nicken bestätigte seine Gedanken. "Neid und Gier sind die treibenden Eigenschaften der Menschen. Sie streben nicht nach einem gemütlichen Leben, sondern danach, besser und reicher zu sein als Andere. Das unterscheidet uns am meisten von ihnen. Für uns Khazâd steht die Gemeinschaft an erster Stelle, Menschen sind meist Individualisten. Sie sind nicht grundsätzlich böse, fällen in Momenten von Angst und Ratlosigkeit aber irrationale Entscheidungen, die nicht immer gut sind."

Nun nickte Pelok, dem ich ansah, dass er angestrengt meine Worte verarbeitete. "Ihr Wesen neigt dazu, Veränderungen herbei zu führen, deren Ausmaß sie nicht immer abschätzen können. Vielleicht hängt das alles damit zusammen, dass ihre Lebenszeit erheblich kürzer ist, als unsere. Sie wollen als Individuum im Leben möglichst viel erreichen. Manche scheren sich dabei nur nicht um den Schaden, den sie so verursachen können." Er seufzte beim Ausklang seines letzten Wortes.

 

So angenehm das geregelte Leben unter den Zwergen des Clans der Ernährer auch war, es zog mich wieder hinaus in die Welt. Selbst diese eine Woche, die auf ihre Weise spannend und lehrreich war, verlor immer mehr von ihrem Reiz, da nichts aufregenderes geschah als das allabendliche Gelage mit dem Ältestenrat.

Immer öfter dachte ich beim Einschlafen an Linnarhan, die junge Elfe, die sich die Mühe gemacht hatte, Worte in meiner Sprache zu erlernen. Sie wiederzusehen wäre mir eine sehr große Freude.

Zum Glück würden wir die Stadt unter den Bergen bald wieder verlassen. Mit Foret sollte ich zuerst beratschlagen, welchen Weg wir einschlagen wollten. Mich drängte ein unbestimmtes Gefühl, zu den Uberts nach Reinsdorf zurückzukehren. Ich wollte nachschauen, wie es ihnen ergangen war und wie sie in ihrer neuen Heimat zurecht kamen. Dort wollte ich dann neu entscheiden, was zu tun wäre. Irgendwann wollten wir unsere zwergischen Freunde aus dem Norden einholen und als Gemeinschaft unsere Aufgabe erfüllen.

 

Am Abend vor unserer Abreise wurde ich jäh aus meinen melancholischen Gedanken gerissen, als überraschenderweise Maika, die resolute Frau aus dem Ratsgebäude, vor mir stand. „Herr Daril, bitte meldet euch morgen früh, bevor ihr aus der Stadt geleitet werdet, bei mir im Rathaus.“, wies sie mich freundlich aber knapp an.

Ich aß noch etwas von der köstlichen dicken Suppe und leerte meinen Bierkrug, ehe ich mich von der Tafel verabschiedete und mein Nachtlager aufsuchte.

 

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