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27. Bahnfahrten

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Bahngleis und Tunnel in Berglandschaft

Wir ließen unseren kleinen Zug ruhig über die Schienen gleiten, um die Strecke besser im Blick behalten zu können. Die Gleise trugen uns westwärts ohne große Kurven während wir immer mal wieder eine natürlich Höhle durchquerten. Die Tunnel waren gut in Schuss, dennoch hielten Foret und ich gewissenhaft Ausschau nach möglichen Hindernissen.Die Beleuchtung wechselte einige Male von grün fluoreszierenden Pilzkörpern und deren Hyphen über das geheimnisvolle Schimmern farbiger Kristalle bis zu Streckenabschnitten, die kurzzeitig oberirdisch geführt wurden. Diese Gleise außerhalb der Tunnel waren meist überwachsen und wir mussten dort anhalten und die Strecke freimachen. Zum Glück hatten wir dafür geeignetes Werkzeug dabei. Es gab auf dem Weg auch immer wieder Geröll, dass die Weiterfahrt behinderte, aber uns keine große Arbeit machte. Zu meiner Überraschung stoppte unsere Fahrt unvermittelt in einer Bahnstation, die mir sehr bekannt vorkam, nachdem wir einen von Wurzelwerk versperrten Durchgang freigemacht hatten. Es war der alte Ahornbaum, in dessen Nähe mich Hyrasha aufgespürt hatte und wir dann den Weg zur Eisenbinge gemeinsam fortsetzten. Nun hatten wir nur noch wenige Stunden zurückzulegen, ehe wir die Stadt der Steinformer erreichten.

 

„Ich kenne diese Station. Damals wusste ich aber nicht, dass die Gleise dort hindurch weiterführten und ich erklomm die Treppe nach draußen. An dem nahem See können wir unser Wasser auffüllen, aber gebt acht, dort gibt es garstige Feenwesen, die arglose Wanderer gern ärgern.“, berichtete ich über meine Erfahrungen aus der nahen Vergangenheit. Wir entschieden uns aber, die Reise zum Riesengebirge sofort wieder aufzunehmen. Diesmal saß ich zuvorderst am Steuer, da ich diese Stecke bereits kannte.

 

Alle hatten ihre Sitzplätze wieder eingenommen, als ich die Bremse löste und wir uns wieder vorwärts bewegten.

In den Tunneln und Höhlen hatte sich seit meiner letzten Fahrt nichts verändert und das sanfte grünliche Glühen der Pilzgeflechte verströmte einen Hauch Behaglichkeit in mir. Ich war auf dem Weg zu meinem neuen Zuhause. Doch vorher wollten wir noch den Krakonoš besuchen, dem ich doch versprochen hatte, zurückzukehren.

 

Vorsichtig und gewissenhaft steuerte ich unseren Zug über die Gleise, dennoch waren wir zügig unterwegs. Mir kam es vor wie die Heimreise nach einem langen Urlaub. Die Freude schien mir ins Gesicht geschrieben zu sein, denn Foret sagte hinter mir: „Du wirkst entspannter als sonst, mein Freund, das freut mich.“ Daraufhin musste ich wirklich grinsen, zog mir aber den Kragen meines Pullovers bis unter die Nase, weil ich den Zug nun schneller rollen ließ. Wir glitten durch die Tunnel und Höhlen, bis wir an der Haltestelle von Gabil‘urdûm zum Stillstand kamen. Nacheinander verließen wir die Waggons und luden uns das Gepäck wieder auf. Als alle bereit waren, drückte ich an der Konsole einige Schalter und die Loren wurden automatisch ins Depot verbracht.

 

Mittlerweile hatte ich weitgehend in Erfahrung gebracht, wie die Bahnanlagen funktionierten. Wenn die Erbauer findig waren, dann hatten sie sich an die Ringbahnen der Eisenbinge orientiert und diese in größerem Maßstab kopiert. Demzufolge sollten alle neuen Zwergenstädte durch eine kreisförmige Bahntrasse verbunden sein. Wir mussten nur die Zustiegspunkte ausfindig machen. Die Schimmerminen waren eine dieser Stationen. Ich war gespannt, was wir darüber noch herausfinden würden.

 

 Der Ausgang war verschlossen, aber der Hebel zum Öffnen des Falltores war nicht zu übersehen und Spigna zog beherzt daran. Ich führte die Gruppe in den großen Speisesaal, der wie leergefegt schien. Wir durchschritten ihn, um durch die Tür am anderen Ende den kreisrunden Audienzsaal zu betreten. Auch hier war niemand. Die große Halle des Krakonoš schien verlassen.

„Herr der Berge!“, rief ich auf tschechisch laut in den Raum hinein. „Der Permoník ist zurück und hat Freunde mitgebracht!“ Mit einem unvermittelten „Poff“-Geräusch erschien einer der Kobolde aus dem Nichts vor mir. „Du bist wieder da?“, fragte mich er mit knarziger unfreundlicher Stimme in der selben Sprache. Garstig setzte er fort: „Was willst du? Der Herr kann niemanden empfangen, Zwerg.“ Das machte mich traurig, denn ich mochte den Krakonoš sehr.

 

Es hatte ihm sehr zugesetzt, dass die Menschen den Glauben an ihn verloren hatten. Wesen wie er lebten davon, dass in Sagen von ihnen berichtet wird. Solange einige Leute in den Geschichten noch eine gewisse Bedeutung finden konnten, würde er weiterhin existieren, aber seine Macht wird schwinden.

„Sag dem Herrn der Berge einfach, dass Daril zurück ist.“, bat ich den Kobold resigniert. Der nickte und verschwand mit einem schmatzenden Geräusch.

Etwas ratlos standen wir fünf Zwerge im unteren Halbrund des Amphitheaters. Das gemeißelte Bildnis auf der Wand hinter uns wirkte immer noch sehr faszinierend auf mich und auch meine Mitreisenden schauten es sich interessiert an. „Die Steinformer sind große Künstler und Baumeister.“, entwich es Olthek ehrfürchtig. Das Relief erzählte uns nur, wie sie hierher in die große Halle gekommen waren, berichtete aber nichts über ihren weiteren Verbleib. Wir mussten wohl wieder zur Lorenbahn und weiter westwärts reisen, um das herauszufinden. Bei meinem letzten Besuch Gabil‘urdûms war es mir nur wichtig gewesen, möglichst schnell Takal Dûm zu erreichen.

 

„Es ist schön, dass du dein Versprechen hältst, werter Daril. Ich freue mich außerordentlich dich und deine Freunde in meinem Heim begrüßen zu dürfen.“, ertönte leise aber durchdringend und sanft die Stimme des Krakonoš in der uns vertrauten Zwergensprache hinter uns. Es saß in seinem Thron, der lange weiße Bart reichte auch auf dem Boden noch zwei Fuß weit. Ich lächelte das dünne, menschenähnliche Männlein erfreut an. „Werter Zabad ‘abbud, es ist mir eine Ehre, Euch meine Gefährten vorzustellen. Foret der Metbrauer, Olthek von den Erzformern, Spinella und Rognil sind Kristallzwerge aus der Gilde der Wissenden. Wir sind uns in verschiedenen Siedlungen unseres Volkes begegnet und wir unterstützen einander dabei, unser Volk wieder zusammenzubringen.“, erklärte ich dem Hausherrn.

Rübezahl blühe sichtlich auf und seine Gestalt festigte sich. Er sah mit einem Male kräftiger aus, schenkte uns eine gütiges und zufrieden wirkendes Lächeln. „Bleibt doch für eine Nacht, Freunde. Ich werde euch bewirten und für euer Nachtlager sorgen, dass ihr morgen satt und ausgeschlafen euren Weg fortsetzen könnt.“, bot der Krakonoš uns an. Das konnte und wollte niemand von uns ablehnen. Alle nickten dankbar und deuteten eine respektvolle Verbeugung an. Der Herr der Berge schien davon sehr angetan.

 

Drei Kobolde betraten den Thronraum durch die schmale Türöffnung der Reliefwand. „Kommt, ich wir bringen euch zu den Quartieren.“, krächzte einer davon auf tschechisch. Ich wies meine Begleiter an, ihnen zu folgen. In der ehemaligen Kaserne nahmen wir zwei der Schlafräume in Anspruch, denn in jedem befanden sich vier Ruhelager. Spigna entschied sich, gemeinsam mit Olthek eine Kammer zu beziehen, während ich mit Foret und Rognil die andere belegte. Die Kobolde richteten geschwind die Betten her, als wir unsere Habe ablegten und in den Schränken und Regalen verstauten.

„Ich werde mich waschen gehen. Seit Tagen trage ich dieselben Sachen am Leib.“, teilte Foret mit. Mit einem Nicken bestätigte ich seine Aussage und schickte mich an, ihm den Waschraum zu zeigen. „Ich komme mit. Auch ich muss mich reinigen.“, stellte Rognil klar.

 

Mit frischer Wäsche in den Armen überquerten wir den Mittelgang und betraten zu dritt den großen Waschraum, wo bereits fünf frische, weiche Handtücher auf der Bank neben der Tür bereitlagen, auf jedem Tuch lag auch für jeden Zwerg ein Stück Seife. Wir entkleideten uns und ich betätigte die Handpumpe, woraufhin das Wasser die Rinne entlangschoss, die über dem Trog angebracht war und auf meine Freunde herabregnete. Das kühle Wasser wirkte belebend und wir alberten ausgelassen, während wir uns wuschen. Die anderen beiden hatten uns wohl gehört und lachten, als sie unvermittelt in der Tür standen. Wir winkten nur und forderten sie auf, mitzumachen. Das taten sie auch. Rognil war nun an der Reihe für das fließende Wasser zu sorgen. Olthek schnappte sich einen Eimer, füllte ihn und bedachte mich mit einem kräftigen Schwall. Spigna löste ihre Zöpfe, ihr rötliches Haupthaar umschloss sie in der Folge vollständig und sie kicherte als sie sich unter die Dusche stellte. Glücklich und ausgelaugt spülten sich alle abschließend nochmals mit klarem Wasser ab. Spinella hüllte sich in eines der großen Handtücher und verschwand in ihrem Quartier, unterdessen trockneten wir uns ab und zogen die frischen Sachen an, Olthek musste mit umgelegtem Handtuch vor der Tür warten, bis Spinella ihm Zutritt gewährte.

 

An den Kristallzwergen war mir aufgefallen, dass ihre Haut was natürlicher geworden war und weniger kristallin auszusehen schien. Ich nahm an, dass sie sich immer noch von ihrer langzeitigen Steingestalt erholen mussten, aber man merkte beiden nichts Offensichtliches mehr davon an.

Nach kurzer Wartezeit klopfte es kurz und trocken an beiden Türen. Zwei Kobolde riefen uns zum Mahl mit dem Duch Gór des Riesengebirges. Spigna trug ihr langes rotbraunes Haar nun zu einem einzelnen Zopf geflochten, den sie wie einen Kranz um ihren Kopf gelegt hatte. Eine bronzenen Spange hielt ihre Frisur in Position. Dazu trug sie ein fein gewirktes weißes Oberteil, dessen Kragen mit gestickten Mustern geschmückt war. Ein braun und grün gemusterter Kilt, zu dem sie Kniestrümpfe in den gleichen Farben trug, rundete ihre Erscheinung ab.

Auch Olthek hatte sich schick gemacht. Ebenfalls mit einem Kilt bekleidet, der aber anthrazitfarbene und orangerote Muster zur Schau stellte. Sein dunkles grobes Hemd war von roten Akzenten durchzogen und seine Füße steckten in schweren schwarzen Lederschuhen.

Natürlich hatten Rognil, Foret und ich uns auch frisch angezogen, aber die beiden wirkten auf uns wie ein Paar und sie strahlten sichtlich, als sie sich uns anschlossen, dem Abendmahl mit dem Krakonoš beizuwohnen.

 

Die Kobolde führten uns in den bereits bekannten Speisesaal, der Duch Gór saß am schmalen Ende der Tafel auf einem hochlehnigen Stuhl und erwartete uns bereits. Seine Verfassung schien sich weiter verbessert zu haben, denn seine Haut sah weniger gealtert und rosiger aus als zuvor. Auch seine Gestalt wirkte imposanter und kräftiger. „Nehmt Platz Freunde und erzählt mir von euren Reisen! Wir haben viel Zeit und meine Bediensteten kümmern sich um all eure Wünsche.“, verkündete er freundlich bestimmt.

Foret und ich nahmen rechts und links des Berggeistes unseren Platz ein. Olthek und Spinella besetzten die Stühle neben Foret und Rognil ließ sich links von mir nieder.

Krüge mit Wasser, Bier und Met standen bereits auf dem langen Tisch, Tonbecher waren in ausreichender Zahl bereitgestellt, dass sich jeder nach Bedarf davon nehmen konnte.

Rübezahl nickte uns zu, dass wir uns bedienen sollten.

 

Ich begann damit, von meiner Reise nach Takal Dûm zu erzählen und wie ich Foret kennenlernte. Auch vergaß ich nicht, den Zabad 'abbud von Hyrasha zu berichten und Grüße von ihr auszurichten. Im Anschluss stellte sich Foret dem Herrn vor und beschrieb unseren gemeinsamen Weg zum Hartfels sowie die Vorkommnisse dort. Ab da wollte Olthek fortsetzen, aber die Kobolde trugen die Vorspeisen auf. Suppe dampfte uns aus zwei hohen Schüsseln wohlriechend entgegen und die Diener brachten jedem eine Schüssel und einen Löffel zum Platz. „Greift zu, Zwerge! Stärkt euch und werdet satt!“, forderte der Hausherr auf und wir langten beherzt zu.

Nachdem die Essgeräusche ein vorläufiges Ende gefunden hatten, begann Olthek mit seinem Teil der Geschichte und sprach von den Gepflogenheiten des Hartfels ebenso wie von unserem Marsch durch die Tunnel bis wir die Archive der Halle des Vermächtnisses erkundet hatten. Erst als er den Punkt erreichte, als Rognil erwacht war, setzte dieser fort und berichtete von dem Abschnitt der Reise, der uns wieder hierher in die Große Halle geführt hatte. Nur Spinella war bisher nicht zu Wort gekommen, die sich etwas unsicher umschaute.

 

Doch wieder erschienen die Kobolde um das Geschirr abzuholen und im Anschluss den nächsten Gang aufzutragen. Schüsseln mit Kartoffeln, Knödeln und Rüben tauschten ihren Platz mit den Suppenterrinen. Schalen mit Erbsen, Bohnen und Kohl belegten nun die Tafel. Ich war sehr erstaunt, als Fleisch aufgetischt wurde. Der Braten roch köstlich, wie ich es vom Hof der Uberts her kannte. Nun bemerkte ich, wie sehr ich doch die böhmische Küche vermisst hatte, obwohl wir Zwerge nur sehr selten Fleisch aßen. Ich musste wohl ein seliges Lächeln hervorgebracht haben, dass mich alle Anwesenden plötzlich angrinsten. Um die Situation für mich erträglicher zu machen, goss ich mir Bier nach, erhob mich von meinem Platz und gab einen Trinkspruch aus: „Möge das Bier nie schal werden und die Zwergennase uns den rechten Weg weisen. Auf die Gesundheit! Na zdraví!“ Alle prosteten mir zu und gemeinsam tranken wir einen Schluck. Der Zabad 'abbud wiederholte seine einladende Geste und eröffnete damit den Hauptgang des festlichen Mahls.

 

Ich konnte nicht anders, lud mir von den Knödeln, dem Kraut und dem Braten auf meinen Teller und genoss verzückt die Speisen, die ich so zu schätzen gelernt hatte und so lange entbehren musste. Meine Begleiter bedienten sich genauso reichlich und es herrschte bald gefräßiges Schweigen zwischen uns.

Das Essen war perfekt und schien genau auf den Geschmack eines Jeden von uns abgestimmt gewesen zu sein. Meine Freunde versuchten sich aber auch an den ihnen weniger bekannten Gerichten und bedachten diese mit wohligem Raunen. Nachdem alle ihr Besteck niedergelegt hatten, wandte sich der Krakonoš an Spinella.

„Von Euch habe ich bisher nichts vernommen, werte Zwergin.“, begann er, „Worüber möchtet Ihr mich unterrichten?“ Spigna schluckte kurz und straffte sich. „Herr, ich bin eine Magiegelehrte aus der Gilde der Wissenden. Wie Ihr bereits erfahren habt, haben Rognil und ich lange Zeit in der kristallinen Steingestalt verbracht, die man uns immer noch ansieht. Ich weiß über die Reise von Daril und unserer Gruppe nun nicht mehr, als Ihr es tut.“ Der bärtige Alte nickte bedächtig. „Das ist wahr, werte Spinella. Doch das war nicht mein Anliegen. Wovon mögt Ihr mir erzählen?“, wiederholte er seine Frage. Sie schaute erst den alten Berggeist an, dann suchte sie Augenkontakt mit Olthek, der sie glücklich anstrahlte und sie strahlte zurück. „Ich habe kürzlich die Liebe gefunden.“, gab sie bekannt, wobei ihr ein Stein vom Herz gefallen zu sein schien. „Olthek war vom ersten Moment an so freundlich zu mir und seine hilfsbereite Art tat mir nach der langen einsamen Zeit sehr gut. Wir haben beschlossen, unser Leben zu teilen.“ Nun war der Herr der Berge sichtlich zufrieden und lächelte ebenfalls. „Genau das meinte ich, junge Zwergin. Möge dieses Glück Euch beiden ewig ein Licht im Dunkeln sein.“, erteilte er ihnen seinen Segen. Wir übrigen Zwerge klatschten und johlten vor Freude über das Paar.

Olthek erhob sich und erhob seinen Becher. „Habt Dank werte Freunde und Ihr, großer Herr. Wir nehmen das Geschenk Eures Wohlwollens von Herzen an. Eure Gastfreundschaft ist überwältigend. Auf ewige Verbundenheit!“, prostete er allen zu.

Die Kobolde räumten kurz darauf die Tafel leer, nur noch die Krüge mit den Getränken blieben stehen und sie ließen uns wieder allein.

 

Foret ergriff das Wort und richtete es an Rübezahl: „Könnt Ihr mir erzählen, weshalb die Kobolde so garstig sind, Euch dennoch so gehorsam dienen, Herr?“ Der Alte schaute den Zwerg streng an, nickte dann aber. „Die Kobolde sind mir verpflichtet, weil sie eine alte Schuld abtragen müssen, die sie sich selbst aufgeladen hatten. Es ist ihnen peinlich, aber ihr Naturell lässt es sie nur mit ihrer Garstigkeit ertragen. Viele Jahre ist es her, da die Menschen in den umliegenden Wäldern Fallen aufgestellt hatten, weil ihnen Feldfrüchte und Kleinvieh abhanden kam. Dafür waren die Kobolde verantwortlich. Ich streifte durch meine Berge und Wälder und traf auf die in einem Netz gefangenen Kobolde. Ich befreite sie und sie schworen mir Treue, solange ich sie gut behandeln würde. Darauf ging ich ein. Seitdem wohnen die acht Wesen hier bei mir. Ich befehle ihnen nicht, aber sie tun so, als würde ich es. Zwerge und Menschen scheinen sie weniger gut leiden zu können.“, erklärte er uns ausführlich.

Müdigkeit schlich langsam in unsere Glieder. Wir verabschiedeten uns vom Zabad 'abbud in die Nacht und begaben uns in die Schlafräume. Morgen wollten wir unseren Weg nach Westen fortsetzen.

 

Das reichhaltige Essen und der Alkohol ließen uns schnell in den Schlaf fallen. Ausgeruht erwachte ich irgendwann in der stillen Unterkunft. Rognil und Foret schienen bereits aufgestanden zu sein. Ich erhob und streckte mich, dann begab ich mich in den Waschraum zur Morgentoilette, wo ich auch meine beiden Kameraden fand, die sich frisch machten. „Grüße Daril! So gut habe ich lange nicht schlafen können.“, begrüßte mich Foret und spritzte mir Wasser entgegen. Ich legte meine Sachen ab und lachte in mich hinein. Ich griff mir einen Eimer, füllte ihn halb und leerte ihn über meinem Freund aus. Der prustete und lachte, wie ich ihn bisher nur selten erlebt hatte. Rognil hielt sich diesmal etwas zurück und schien weniger ausgeruht zu sein. Ich genoss diese ungezwungene Fröhlichkeit sehr, da mir abseits davon bewusst war, dass es in der Oberwelt für die Menschen ganz anders aussehen musste.

 

Wir zogen uns nach der Erfrischung neu an und suchten den Speisesaal für ein Frühstück auf. Spinella und Olthek saßen schon am Tisch, der bereits reich gedeckt war mit feinem Backwerk und einer Kanne voll heißem Kräuteraufguss. Zum Süßen stand Rübensaft bereit. Olthek winkte: „Ihr kommt genau richtig. Lasst uns beim Essen besprechen, wie wir weitermachen wollen.“ Ich nickte und wir nahmen bei den Verliebten Platz. „Ich habe mir überlegt, nach den Menschen zu sehen, die mich behütet hatten, bevor ich meine Wanderung begonnen hatte. Sie liegen mir doch sehr am Herzen. Das Dorf liegt ein gutes Stück westwärts von hier, also genau in unserer Richtung, um den Steinformern zu folgen.“, verriet ich meine Pläne. Rognil schaute mich nachdenklich an. „Wenn du die Menschen besuchen möchtest, tu das, aber ich werde nach unseren Verwandten suchen. Mir sind die Großen herzlich egal.“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Ich möchte dich gern begleiten, Daril, doch ich bin unsicher, ob ich zu den Menschen will.“, meinte Foret. Spinella antwortete für Olthek und sich selbst: „Wir würden in diesem Fall mit Rognil weiterreisen, wenn das recht ist, Daril.“ Ich hatte nichts dagegen und wollte niemanden zu etwas zwingen, deshalb war ich mit ihrer Entscheidung einverstanden.

 

Nach dem ausgiebigen Frühstück suchten wir den Herrn der Berge im Thronsaal auf. Ich rief nach ihm, da er nicht zugegen war. „Herr der Berge, werter Krakonoš, die Zwerge wünschen mit Euch zu sprechen!“ Einen Augenblick später vernahm ich seine Stimme aus der Richtung, wo der Thron stand. „Sprecht, Daril. Mir ist bewusst, dass ihr weiterziehen müsst, teure Freunde.“, sprach er mit fester aber trauriger Stimme. Ich bestätigte seine Annahme: „Ja, wir möchten uns gern gebührend verabschieden, bevor wir unserer Wege gehen. Habt großen Dank für das Nachtlager und die wunderbare Verpflegung, Herr. Wir wissen solche Gastfreundschaft sehr zu schätzen. Möge es Euch gut ergehen, auf Wiedersehen, Zabad 'abbud.“ Meine Begleiter verbeugten sich tief vor ihm und bekundeten damit ihren größten Respekt dem Berggeist gegenüber. Spigna bedankte sich nochmals bei ihm, weil er ihr zu ihrem Mut verholfen hatte, ihre Liebe zu Olthek öffentlich zu machen. „Gute Reise, werte Khazâd. Besucht mich bitte wieder.“, waren Rübezahls letzte Worte an uns, bevor wir uns zum Gehen wandten.

 

In den Gemächern packten wir unsere Sachen zusammen und trafen uns anschließend am Zugang zu den Bahntunneln. Ich drückte auf den unscheinbaren Knopf, der die Tür herabfahren ließ und wir betraten die Station. Diesmal sollte es in die andere Richtung der eingleisigen Anlage gehen. Ich bereitete an der Konsole alles vor. Zwei Waggons für unsere Freunde, von denen Foret und ich uns wortkarg und tränenreich verabschiedeten. Zwei Loren für Foret und mich, nachdem die drei Zwerge bereits abgefahren waren. Wir fuhren noch ein gutes Stück in Sichtweite voreinander her, bis wir einen Haltepunkt erreichten, den die Vorausfahrenden passierten. Ich hielt unsere Loren aber an und stieg aus, um festzustellen, wo wir uns befanden. 

 

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