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19. Aufbruchstimmung

Bild von Michał K auf pixabay.com
Waffen und Kettenhemd im mittelalterlichen Stil

Ich machte mich allein auf den Weg zur „Taverne des Eisenbändigers“, um zu frühstücken. Jeder Bewohner der Stadt, der meinen Weg kreuzte, grüßte mich freundlich. Von der Schmiede am Lavasee hörte ich das rhythmische Schlagen der Hämmer, die das heiße Metall formten. Der Hartfels war erfüllt von Leben und ebendies wünschte ich mir für Takal Dûm zurück.

 

Die Taverne war kaum besucht um diese Tageszeit, aber es war immer jemand zugegen, um die Wünsche der Einkehrenden zu erfüllen. Am Tresen war ein mir unbekannter Zwerg damit beschäftigt, eines der Fässer auf einen Karren zu verladen. „Grüße! Benötigt Ihr eine helfende Hand?“, machte ich mich bemerkbar. Der Mann mit dem braun-grauen Bart nickte mir zu und ich hob mit ihm zusammen das Fass auf das Transportmittel. „Danke.“, keuchte er und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. „Berol bin ich, liefere die Getränke an die Tavernen.“, stellte er sich kurzatmig vor. „Mein Mitarbeiter hat wohl verschlafen und ich muss mich nun allein abrackern. Gut, dass Ihr mir helft!“, fügte er an.

Ich bot ihm an: „Wenn ich ein weiteres Mal anpacken kann, so sagt es mir. Ich bin Daril und gehe auf Expedition. Mein Mitstreiter ist auch noch nicht wach.“ Der andere Zwerg lächelte dankbar. „Das volle Fass muss noch auf den leeren Bock. Mehr Hilfe braucht es nicht.“, dabei zeigte er auf eine zweite Karre, auf der ein großes Fass lag. Der Platz hinter dem Tresen war groß genug, dass die Karre gut zu lenken war und ich erfasste die Griffe und stelle mich so, dass man das Fass nur noch auf den Bock schieben musste. Die Höhe war aufeinander abgestimmt. Gemeinsam schoben wir den Behälter an seinen neuen Platz. „Der Karren gehört in die Kammer dort hinten.“, sagte Berol und zeigte Richtung Eingang. Links davon, in der Ecke stand eine Holztür offen. Ich schob die Karre hinein und schloss die Tür. „Wenn ich zurück in der Brauerei bin, hoffe ich, dass mein Kollege endlich da ist. Ihr wart mir eine große Hilfe. Viel Glück auf Euren Wegen, Daril!“, verabschiedete er sich und brachte das leere Fass fort.

 

Mein Frühstück hatte ich mich nun aber verdient, nur war nun niemand mehr am Tresen zugegen. Ich ging also einfach in die Küche und fand sie voll besetzt vor. Die Köche waren dabei, das Mittagsmahl für die gesamte Stadt zuzubereiten. Da wollte ich lieber nicht stören, doch Askgrim hatte mich bemerkt und hielt auf mich zu. „Herr Daril, kann ich etwas tun?“, fragte er. Ich kam direkt auf den Punkt. „Ich bin wohl etwas spät für das Frühstück hier, aber ich habe Hunger. Ist es möglich eine Kleinigkeit zum Essen und einen Kräuteraufguss zu bekommen?“, fragte ich bescheiden. Der blonde Koch grinste belustigt. „Das ist kein Problem, das dauert nicht lange. Setzt Euch in den Gastraum und ich bringe Euch gleich etwas.“, war seine Antwort. Ich verließ die Küche und suchte mir einen Platz nahe der Theke. Um mir die Wartezeit zu verkürzen kramte ich meine Flöte wieder hervor und begann zu spielen. Mir kam es nicht lange vor, bis Askgrim mit einem Becher dampfenden Tees und einem Holzbrett voller Köstlichkeiten aus der Küche kam. „Lasst es Euch schmecken, Herr Daril. Möge Eure Mission von Glück beschieden sein.“, wünschte er mir. Ich nickte dankend und der Koch verschwand wieder, um seiner Arbeit nachzugehen.

Meinen Hunger konnte ich köstlich stillen. Das Brot war so frisch, dass es noch warm war und der Kräuteraufguss dampfte heiß vor sich hin. Der Pilzaufstrich war fester Bestandteil der kalten Mahlzeiten und schmeckte wirklich vorzüglich. Mehr brauchte ein Zwerg nicht, um den Tag gut zu beginnen. Bevor ich die Taverne verließ, machte ich mir noch ein Brot zum Mitnehmen und wickelte dieses sorgfältig in ein sauberes Tuch ein. Meine Wasserflasche füllte ich mir an der Theke auf und machte mich auf den Weg zum Versammlungsplatz vor dem Ratsgebäude.

 

Viele Einwohner hatten sich hier zusammengefunden, Wagen und Karren waren hergebracht worden, als würde man einen Markt abhalten. Foret wankte schlaftrunken aus der Unterkunft und ich ging schnell zu ihm. „Ich glaube, die Leute sind unseretwegen hier.“, begann er unvermittelt, nachdem ich meinen Freund erreicht hatte. „So viele Sachen können wir doch gar nicht mit auf die Reise nehmen, die sind doch verrückt!“, ergänzte er erfreut und im Scherz. „Komm, wir gehen hin, ich glaube Callia und Thídra gesehen zu haben.“, war mein Vorschlag. Foret willigte ein und wir gingen zu der Zwergenansammlung. In der Tat, die Schwestern waren dort und nicht zu übersehen. Sie standen gemeinsam auf einem Wagen und Callia sprach zu den Umstehenden: „Khazâd von Mebel’aban! Es freut mich, dass ihr alle hier seid, um die Reise der drei wagemutigen Männer zu unterstützen. Lasst sie wählen, was sie von den Gütern mitnehmen wollen und können und grämt euch nicht, wenn sie nicht für Alles Verwendung finden. Sie können einfach nicht mehr annehmen, als drei Zwerge tragen können.“ Die Anwesenden nickten und zeigten sich damit einverstanden.

 

Jalka bemühte sich, dem Treiben auf dem Platz etwas Struktur und Ordnung zu geben. Als sie uns gewahr wurde, kam sie uns freudig entgegen. „Ich habe alles Besprochene herbringen lassen und die Bewohner ließen es sich nicht nehmen, noch weitere Dinge beizusteuern.“ Olthek stieß in diesem Moment zu uns. „Zum Gruße miteinander. Wie meine Tante eben schon sagte, können wir soviel gar nicht tragen. Deshalb sollten wir sorgfältig wählen und dann alles gut verpacken.“, sagte er ohne Umschweife.

Nun gut. Ich hatte meinen Lederranzen und mein Bündel, um meine sieben Sachen bisher zu verstauen, dazu noch meinen Gürtel mit den kleinen Beuteln und Haken. Meine Überlegung war, alle meine Habseligkeiten durchzusehen und ihren Nutzen zu beurteilen. Danach würde ich entscheiden, was ich sonst noch benötigen würde.

Wechselwäsche, Schnur, Feuerzeug, Nägel, Messer, Axt und Hammer hielt ich für sehr nützlich, die mittlerweile etwas alt gewordene Verpflegung taugte nicht mehr, bis auf eine Handvoll getrockneter Waldpilze. Das Bündel verlor so den Nutzen und so konnte ich Stab und Tuch anderweitig nutzen. Der Ranzen war stabil genug, dass sich am Unterteil ohne Umstände noch eine Tasche anbringen ließ. Ein Zwerg, der sich mit Lederwaren auskannte, bot mir an, den Tornister umzuarbeiten. Ich brachte alle noch brauchbaren Dinge in den Schlafsaal und packte sie auf mein Bett, kehrte dann zu dem Ledermeister zurück und übergab ihm den Ranzen. „Dann mache ich mich mal ans Werk!“, kommentierte er frohgemut.

 

Nun schaute ich mir an, was die Leute vom Hartfels zusammengetragen hatten. Eine derb wirkende, weiche Decke wurde zu meiner ersten Wahl. Meine recht abgelaufenen Schuhe konnte ich endlich ersetzen und auch neue Strümpfe hatte ich gefunden. Mir war nicht bewusst gewesen, wie sehr meine Bekleidung bei der Wanderung gelitten hatte, bis ich mich damit beschäftigen musste. Die Auswahl an Kleidungsstücken aus Leinen, Wolle und Leder ließ keine Wünsche offen. Auch Rüstungsteile und Waffen hatten sie zusammengetragen. Mehr als ein Kettenhemd und lederne Armschienen würde ich nicht anlegen wollen, denn alles Andere wäre mir zu schwer und hinderlich während der Wanderung. Dann fiel mein Blick auf eine wunderschön gearbeitete Axt. Zweischneidig und kunstvoll graviert lag sie neben Streithämmern und Morgensternen, Schwertern und Armbrüsten. Ich nahm die Waffe auf und wog sie in der Hand. Ihr Griff war kurz genug, sie einhändig zu führen, aber lang genug um sie zweihändig benutzen zu können. Ein echtes Meisterstück zwergischer Schmiedekunst! Ich war echt beeindruckt und nahm sie bewundernd an mich. Foret schien meine Verzückung bemerkt zu haben und lachte mich an. „Da hat wohl jemand die Liebe gefunden, so wie du strahlst!“, flachste er. „Ich bevorzuge etwas Anderes.“, sagte er und griff nach einer Armbrust. „Auf die Bolzen musst du aber achtgeben, Foret. So schnell bekommst du keine neuen, wenn wir einmal unterwegs sind.“, machte ich ihm klar. Auch Olthek wählte eine Waffe. Seine Wahl war ein schwarz glänzender Streithammer mit silbernen Verzierungen. Der Stiel war so lang, dass er seine Arme darauf gemütlich stützen konnte.

 

Nachdem wir alle drei unsere Ausrüstung gewählt hatten, trugen wir sie in den Schlafsaal, um uns umzuziehen und die Sachen einzupacken. Der Ledermeister kam genau im richtigen Moment mit meinem überarbeiteten Ranzen zu uns. „Hier, Herr Daril. Ich habe an der Unterseite einen robusten Beutel befestigt und Riemen mit Schnallen an der Klappe, damit Ihr dort eine Decke oder etwas Ähnliches festschnallen könnt. An der Seite ist nun eine Lasche, in die Ihr Werkzeug einhängen könnt. Ich hoffe, es gefällt Euch.“, präsentierte er mir den verbesserten Behälter. Ich war erstaunt, was er daraus gemacht hatte und mir gefiel die Arbeit sehr gut. „Vielen Dank, Meister. Ich finde es großartig!“, freute ich mich und begann meine Sachen zusammenzupacken. Die neuen Schuhe und die Rüstungsteile legte ich an, die Ersatzkleidung kam wieder in den Tornister, die Decke obenauf geschnallt, das kleine Beil steckte ich in die Schlaufe am Ranzen. Etwa mittig am Schaft der Streitaxt befand sich ein Loch, durch das ein Metallring gezogen worden war, um sie nicht immer in der Hand tragen zu müssen. Ich konnte sie also an einem Haken befestigen. Ich entfernte daher einen der Karabinerhaken von meinem Gürtel und benutzte ihn für die Axt, die ich so an meinem Tornister befestigen konnte. Den Hammer hängte ich in die Schlaufe am Gürtel. Für Vorräte konnte ich hervorragend den Beutel benutzen. Ich fühlte mich mit all den Sachen gut ausgerüstet und vorbereitet. Foret und Olthek hatten sich auch umgezogen und bereitgemacht. Beide trugen Rucksäcke mit ihren Habseligkeiten und hatten ihre Waffen mit Ledergurten auf ihren Rücken geschnallt. Nun mussten wir uns nur noch mit Nahrungsvorräten versorgen.

 

Wir gingen zurück zum Versammlungsplatz, wo Fendur uns begrüßte. Nun befanden sich nur noch drei Karren mit Lebensmitteln vor Ort, alles Übrige waren bereits weggebracht worden. Wir entschieden uns für Trockenfleisch, Äpfel und Rüben, außerdem durfte jeder von uns je eine Flasche Met einpacken. Callia und Thídra hielten sich immer noch vor dem Ratsgebäude auf und beobachteten alles genau. Als wir die letzten Dinge verstaut hatten, gingen wir zu ihnen.

„Shamukh! Wir sind soweit.“, sagte Olthek zu ihnen. „Wir haben alles zusammengepackt und sind gegen jede Widrigkeit gerüstet.“, meldete er pflichtbewusst. Die beiden Frauen sahen stolz und traurig gleichzeitig aus und umarmten gemeinsam den jungen Zwerg.

Als sie ihn wieder freigaben, richtete ich das Wort an sie: „Ich habe Euch sehr zu danken für eure Gastfreundschaft und die vielen Geschenke. Eure Unterstützung fühlt sich überwältigend an.“ Mehr brachte ich nicht heraus. Foret ergriff die Gelegenheit, sich ebenfalls zu bedanken. „Meinen Dank an euch und an die ganze Stadt. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt.“

Nun sprach Callia: „Thídra wird euch zum alten Tor bringen, damit ihr durch die Tunnel der Stadtgründer gehen könnt. Brondil und Durgin erwarten euch dort. Sie werden den Zugang für euch öffnen und danach wieder versiegeln. Von da an seid ihr auf euch allein gestellt. Gebt auf euch acht und findet die anderen Gilden. Meine besten Wünsche auf all euren Wegen, ihr guten Zwerge!“ Wir drei verbeugten uns vor der Ratsherrin und folgten Thídra zum „Platz der Ankunft“.

 

Die beiden Weisen waren bereits dort und begannen das magisch versiegelte Tor zu öffnen als wir eintrafen. Der Fels wurde wurde durchsichtig und verschwand gänzlich, rote Runen über dem Durchgang verglühten langsam. „Viel Erfolg, tapfere Zwerge!“, riefen sie uns zum Abschied zu, Thídra winkte ihrem Sohn und uns hinterher. Zu dritt schritten wir in den dunklen Tunnel hinein und folgten seinen Windungen. Einmal drehte ich mich noch um, aber der Durchbruch war bereits wieder neu versiegelt worden. Nun ging es nur noch vorwärts.

 

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