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13. Berge und Schnee

Foto von stein egil liland: https://www.pexels.com/de-de/foto/kalt-berge-natur-winter-6663556/
Berge und Schnee

 

Vogelgezwitscher und helles Sonnenlicht weckten mich behutsam. Selten hatte ich so gut geschlafen in den letzten Jahren, seit ich aus dem Ei geschlüpft war. Ich fühlte mich gut ausgeruht. Nochmals räkelte ich mich, bevor ich mich aus der großen Decke kämpfte und mir meine Sachen anzog. Die Decke faltete und rollte ich wieder zusammen, wie ich sie am Abend zuvor erhalten hatte, dann verließ ich die Unterkunft in Richtung Brunnen um mich zu waschen. Auf dem Dorfplatz waren nur wenige Elfen zu sehen. Foret saß bereits mit Haldor am selben Platz wie gestern. Linnarhan war am Lagerfeuer mit einem großen Kessel beschäftigt. Ich näherte mich ihr aber erst, nachdem ich mich erfrischt hatte.

Sie musste mich gehört haben, denn sie blickte mich direkt an, als ich noch gut zehn Schritte von ihr entfernt war. Ihr freundliches Lächeln schlug mich erneut in ihren Bann.

Sie nickte zum Gruß und fragte. „Ablagi, Khazdûn?“ Sie hatte wohl einige Worte Khuzdûl aufgeschnappt und ihren Vater danach befragt. „Essen, Zwerg?“, ist eine gute Übersetzung dafür.

Ich nickte bejahend und kurz darauf reichte sie mir eine, mit Getreidebrei gefüllte, Schale. Dankbar nickte ich nochmals und begab mich zu Foret und Haldor.

„Guten Morgen Daril. Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Linnarhan war neugierig, worüber wir den ganzen Abend geredet hatten und wollte auch gleich eure Sprache lernen. Da euer Khuzdûl recht umfangreich ist, nannte ich ihr nur einige wenige Begriffe.“, grüßte mich Haldor. Ich setzte mich in den freien Korbsessel und erwiderte den Gruß. „Auch euch beiden einen guten Morgen. Ja, ich habe wirklich gut geschlafen, wie lange nicht. Dass mich Eure Tochter in meiner Sprache begrüßte, fand ich sehr nett. Leider werde ich nicht die Zeit haben, sie umfänglich in der Zwergensprache zu unterweisen. Foret und ich sollten nach dem Frühstück weiterziehen. Unser Weg wird uns nach Nordwesten führen, wo es eine weitere Siedlung unseres Volkes geben soll. Vielleicht finden wir dort die Nachfahren der Geflüchteten. Kennt Ihr einen Weg, der uns sicher in diese Richtung führt, Haldor? Wir möchten gern Begegnungen mit Menschen vermeiden.“ Foret nickte zustimmend.

Haldor überlegte und sagte schließlich: “Es gab am Westende des Sumpfgebietes ein Portal, das in das Reich der Bergtrolle und Frostriesen führt. Ob es dort aber eine Zwergenfeste gibt, ist mir nicht bekannt. Ich kann euch hinbringen, wenn ihr es versuchen wollt.“ Ich sah Foret an und wir nickten beide gleichzeitig zustimmend Haldor entgegen.

„So soll es sein.“

Wir ließen uns Zeit für den Aufbruch. Ich aß meinen Brei und brachte die geleerte Schale zu Linnarhan, von der ich mich lächelnd verabschiedete. Dann packten wir unsere sieben Sachen und trafen uns mit Haldor und zwei weiteren Elfen wieder auf dem Dorfplatz.

„Die Ersten sind unterrichtet. Wir bringen euch zum Portal.“, erklärte der dunkelblonde Elf.

Er ging voran, wir Zwerge folgen und die anderen beiden Elfen bildeten die Nachhut.

Bald erreichten wir die Barriere, die die Zuflucht der Elfen vor der Welt verbarg.

Haldor streckte seine Arme aus und berührte beide Baumstämme, die sofort begannen grün zu leuchten. Er kippte nach vorn und verschwand. Nun folgten Foret und ich. Wir fassten uns an den Händen und jeder berührte einen der Bäume, dann fielen wir durch das magische Tor. Kaum hatten wir uns wieder aufgerappelt, kamen die beiden anderen Elfen hindurch. Auch sie hielten sich an den Händen, aber beide kamen mit einem schweren Schritt zum Stehen und strauchelten nicht, wie wir Zwerge es taten.

„Gut, dann kann es weitergehen.“, meinte Haldor. Ich musste mich kurz orientieren, zeigte ihm aber gleich, wo Tumunkazor lag, das wir am Tage zuvor durchquert hatten.

In entgegengesetzter Richtung setzten wir unseren Weg fort. Haldor führte die Gruppe an, die anderen beiden Elfen folgten uns. Der Mischwald war dicht, aber nicht undurchdringlich, weshalb der Marsch für mich recht anstrengend war. Einige Male mussten wir uns den Weg mit Schwertern und Beilen frei schlagen, was den Elfen sichtlich wehtat. Die Natur lag ihnen wahrlich am Herzen. Mit dem Wetter hatten wir Glück, denn es regnete nicht, nur wenige Wolken zogen ruhig über den Himmel. Der Wald wurde lichter, je weiter wir vorankamen. Ein großer See lag ruhig vor uns, dessen Ufer wir westwärts folgten.

In einiger Entfernung stiegen Rauchsäulen auf, wie von vielen Feuerstellen. Menschen. Es würde besser sein, großen Abstand zu ihnen zu halten, aber ich war neugierig, was ich dort entdecken könnte. „Haldor, Ihr seht den Rauch dort auch. Ich möchte wissen, was dort ist. Wenn ihr nicht dorthin gehen wollt, werde ich allein nachsehen und danach wieder zu Euch stoßen. Die Menschen waren bereits sehr unruhig und kriegsbereit, als ich sie verließ. Es lässt mir keine Ruhe.“, erklärte ich ihm. „Wir werden bald eine Rat machen, dann könnt Ihr nachsehen, Daril. Aber kommt so schnell es geht wieder zurück. Wir wollen zum Tagesende das Portal erreicht haben.“

Noch hielten wir den eingeschlagenen Weg unweit des Seeufers ein und gingen, bis sich der aufsteigende Rauch rechts von uns befand. Die drei Elfen und Foret rasteten hier und wollten warten, bis ich zurückkam. Im Wald war unsere Gruppe weitgehend sicher. Ich machte mich wagemutig auf, um meine Neugier zu befriedigen.

Es dauerte eine Weile, bis ich nah genug herangekommen war, um etwas zu erkennen. Es handelte sich um ein Militärlager. Provisorisch errichtete Baracken und olivgrüne Zelte, ein Schlagbaum an der Zufahrt und viele Fahrzeuge prägten das Bild. Es war die deutsche Wehrmacht. Dabei war ich mir sicher, dass ich mich immer noch in Russland befinden müsste. Ich ahnte Schlimmes, wenn die Deutschen hier Stellung bezogen hatten. ‚Erik geht es hoffentlich gut.‘, kam es mir in den Sinn. Ich hatte lange nicht an meinen Freund gedacht, der mich in der Truhe bis nach Schlesien geschmuggelt hatte. Nun machte ich mir Sorgen um ihn.

Der Schlagbaum ging hoch und zwei berittene Soldaten verließen das Lager. Ich konnte ihre rufenden Stimmen verstehen: „Du rechts um das Lager, ich links herum, Bannert. Wir treffen uns in einer halben Stunde am nördlichen Zugang!“ Der andere antwortete mit einem zackigen „Jawohl, Herr Unteroffizier!“. Wie es der Zufall wollte, war Erik Ubert dieser Unteroffizier, den ich gleich an seiner Stimme erkannt hatte. Ich war perplex und wollte unbedingt mit ihm reden. Wie sollte ich das nur anstellen?

In gemütlichem Trott begann Erik mit seiner Patrouille. Ich lief ein Stück voraus, um mich ihm und Jirka in den Weg zu stellen. Da das Pferd mich kannte, würde es nicht scheuen, sondern einfach anhalten. Erik schaute erst verdutzt, dann lächelte er mich breit an, aber schnell wechselte seine Mine zu einem sorgenvollen Ausdruck. „Daril! Du solltest nicht hier sein. Die Wehrmacht bereitet eine Offensive gegen die Sowjets vor. Du befindest dich in Kriegsgebiet. Wo warst du fast drei Jahre abgeblieben? Ich habe mich oft gefragt, was aus dir geworden ist.“, sprudelte es aus ihm heraus. Ich fasste mich kurz: „Ich hatte im Riesengebirge eine Zwergenstadt gefunden. Dann war ich im Ural und dort gab es eine noch größere und ältere Stadt, sowie einen Zwerg, der mit mir auf Reisen ist, um unsere Brüder und Schwestern zu finden. Elfen haben wir auch getroffen.“ Erik machte große Augen und zweifelte wohl ein wenig an meinen Worten. „Das ist unglaublich! Ich muss meine Runde fortsetzen, sonst bekomme ich Ärger. Es war toll dich zu sehen. Pass auf dich auf, mein Freund. Ich werde an dich denken. Wir treffen uns in Birnai, wenn der ganze Spuk vorbei ist.“, bekam ich als Antwort. Wir sahen uns fest in die Augen, nickten einander zu und nahmen beide unseren eigenen Weg wieder auf. Langsam ritt der sichtlich erwachsen gewordene junge Mann weiter. Ich zog mich zurück und begab mich wieder zu meiner Gruppe, wobei ich mich nicht sehr beeilte. Drei Jahre hatten wir uns also nicht gesehen. Mir kam es dagegen nur wie wenige Wochen vor. Demnach mussten wir nun das Jahr 1942 haben. Deutschland befand sich im Krieg, vermutlich als Aggressor, wenn ich mir die Lage von damals ins Gedächtnis rief.

Es hatte gut getan zu sehen, dass es Erik soweit gut ging. Seine Sorge war aufrichtig und wir Elfen und Zwerge sollten uns sputen, von hier zu verschwinden. Ich fand die Gruppe nach kurzer Zeit wieder. „Wir setzen den Weg fort, Daril.“, bestimmte Haldor. Ich hatte nichts dagegen und erzählte ihm und Foret, was ich in Erfahrung gebracht hatte. „Wenn wir unser Ziel erreicht haben, werden wir Elfen und sofort auf den Rückweg machen, damit unser Refugium keiner weiteren Gefahr ausgesetzt wird. Ihr Zwerge seid nach dem Durchqueren des Portals wieder auf euch gestellt.“ Damit war ich einverstanden, denn mehr war auch nicht abgesprochen gewesen. Das Schritttempo zog etwas an, was für Foret und mich größere Anstrengung bedeutete, aber wir konnten mithalten. Zwischendurch nahm ich einen Schluck aus meinem Wasserschlauch, die Füße begannen zu schmerzen, aber bis zum späten Nachmittag erreichten wir unser Ziel.

Es glich dem Portal, das ich gemeinsam mit Hyrasha auf dem Weg nach Takal Dûm durchschritten hatte, nur die Schnitzereien waren anders. Haldor sprach einige Worte in seiner Sprache und berührte den Bogen, woraufhin in dem kreisrunden hölzernen Tor ein blaugrünes Leuchten erwachte. „Schreitet hindurch Freunde. Ihr werdet euch in einem Nadelwald wiederfinden, der weit nördlich von hier liegt. Das Portal dort lässt sich mit dem Wort ‚Mellon‘ öffnen, während Ihr die Hand auf den Rand legt. Es bedeutet ‚Freund‘ in unserer Sprache. Viel Glück auf euren Wegen, werte Khazâd. Möget ihr finden, wonach ihr sucht.“, verabschiedete Haldor uns. Ich nahm Foret an die Hand und wir schritten gemeinsam durch das Licht.

Dunkelheit, der Duft nach Nadelholz und eisige Luft empfingen uns, als wir die Passage verließen. Meine Augen benötigten einige Augenblicke, um sich an die veränderten Gegebenheiten zu gewöhnen.

Es lag fleckenweise Schnee, der Wald war nicht sehr dicht und man konnte Berggipfel zwischen den Baumkronen hindurch erkennen. Nun galt es, unseren Weg durch den skandinavischen Spätwinter zu finden. Es war sicher nicht verkehrt, unser Glück in den Bergen zu versuchen.

 

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