Als ich erholt erwachte, war ich in ein kuscheliges Fell gehüllt, das mich wärmte. Hose und Schuhe waren mir ausgezogen worden. Ich lag in einem kleinen Raum, der nach Holz roch, auf einer Pritsche mit einem weiteren Fell. Eine Talgkerze brannte auf einem Tisch unweit von mir. Ein Feuer knisterte fröhlich in einem steinernen Kamin. Das war sehr behaglich. Ein Gefühl von Hunger und Durst kam in mir auf, also richtete ich mich auf, suchte mit den Blicken meine Hose und fand sie auf einem rustikalen Stuhl vor dem Kamin hängen. Sie war bereits trocken. Mein Ranzen Stand auf dem Stuhl, das Bündel und mein Werkzeuggürtel waren auch in der Nähe auf einer Truhe abgelegt. Die Schuhe standen vor dem Kamin, in dem ein Kessel mit blubberndem Inhalt hing. Es roch nach Gulasch.
Ich nahm meine Hose vom Stuhl und kaum war ich halb drin, öffnete sich die Tür und Hyrasha trat ein. „Dobré ráno, permoníku! Hast du gut geschlafen?“, fragte sie lächelnd. „Guten Morgen, Hyrasha. Ja, ich fühle mich gut erholt. Wo sind wir? Hast du mich hergebracht?“, entgegnete ich. „In den Bergen nördlich von Gorki ist diese versteckte Hütte. Eine Rasthaus für Wanderer, die nicht gesehen werden wollen. Ein Zauber schützt und vor neugierigen Blicken. Als du vor Erschöpfung eingeschlafen warst, holte ich mir Hilfe. Gemeinsam haben wir dich in das Haus getragen. Die Tür wurde ein weiteres Mal geöffnet. Ein jung aussehender kräftiger blonder Mann in slawischer Bauernkleidung trat ein. „Zdraví kràlik, ich bin Iwan.“, grüßte er freundlich. „Mir wurde die Aufgabe zuteil, das verborgene Rasthaus zu hüten, solange es Wesen gibt, die es benötigen. Zu Euren Diensten.“ Ich nickte, versuchte zu lächeln und gab den Gruß zurück. „Wäre es möglich etwas zu essen und zu trinken, Herr Iwan? Ich bin recht hungrig. Vielen Dank, dass ihr mich so gut versorgt habt.“ Hyrasha ergriff das Wort: „Es ist seine Aufgabe, Leuten wie uns zu helfen, junger Permonìk. Er ist die gute Seele Russlands. Einst war er ein Held, der Koschtschei, dem Todeslosen ein Ende setzte.“ Iwan ergänzte: „Als es für mich an der Zeit war, zu gehen, wurde ich von den Waldgeistern gebeten, im Stillen weiterhin für das Gute zu stehen und Wanderern eine Rast zu ermöglichen. Ich schlug ein erfülle noch immer pflichtbewusst diese Aufgabe. Einst war ich ein Bauernjunge, dann ein Held und König, solange ich helfen kann, werde ich da sein.“ Ich war sehr erstaunt über diesen ehrenhaften Mann. Davon gibt es nur wenige. Er setzte erneut zu reden an: „Nun denn, ihr sollt vom Šči essen und Met trinken. Danach könnt ihr euren Weg fortsetzen.“ Hyrasha und ich setzten uns an den Tisch, der alsbald von Iwan gedeckt wurde mit Tellern, Löffeln und Bechern aus dunklem Holz. Blattmuster waren in alle Gegenstände geschnitzt. Ähnlich wie das Relief auf der Tür im Ahornbaum.
Iwan nahm den Kessel vorsichtig aus dem Kamin, der an einem eisernen Schwenkarm hing und leerte den Inhalt in eine große Holzschüssel.
„Im Quellgebiet der Wolga steht ein Baum, der solche Muster aufweist. Besteht da ein Zusammenhang?“, fragte ich frei heraus. „Ja.“, antwortete Iwan, „Beides, der Baum und auch dieses Haus wurde von den Waldgeistern erschaffen. Sie standen in regem Austausch mit den Zwergen des östlichen Gebirges, bis Euer Volk die Berge verlassen hatte. Vieles ist seitdem nicht mehr, wie es war.“
Das mag etwas kryptisch klingen, aber diese Antwort genügt mir fürs Erste. Ich nickte ihm dankbar zu, als er uns die Suppe zum Tisch brachte. Zu guter Letzt stellte er noch einen Tonkrug dazu. Ich schenkte mir ein und nahm von der dicken Suppe, die er Šči nannte.
Sie duftete lecker, füllte den Bauch und bestand aus Kohl sowie Fleisch und etwas wie saurer Sahne. Der kräftige Met passte hervorragend dazu. Hyrasha aß bedächtig und ich gab mir Mühe, nicht zu schlingen. Von dem Eintopf nahm ich mir noch einmal nach, bis ich satt war. „Vielen Dank für das üppige Mahl, Iwan. Ich habe es sehr genossen.“, bedankte ich mich. Meine Begleiterin sah ihn ernst an, nickte ihn zu und wandte sich mir zu. „Mach dich bereit für die Weiterreise, Permoník. Die Rast tat gut, aber wir sollten den Weg fortsetzen.“ Also zog ich mir die Jacke über, legte den Werkzeuggürtel an, schwang den Ranzen auf den Rücken und das Bündel über die Schulter. Ich war bereit, das verborgene Rasthaus hinter mir zu lassen. Iwan öffnete uns die Tür. Ich sah mich noch einmal um, als ich vor der Tür stand. Es war ein großer Ahornbaum, in dem sich die Hütte befand. Wie sollte es auch anders sein? Iwan zog die Tür zu und sie fügte sich wie von Zauberhand in den Stamm ein und wurde unsichtbar.
„Folge mir!“, rief Hyrasha und ich trottete hinterher.
Zwischen den Bäumen führte ein ausgetretener Pfand in den Wald hinein, Wassertropfen platschten von den Blättern in denen sich der Morgentau gesammelt hatte. Ein seltsames Schimmern erhellte unseren Weg, ähnlich dem in den Zwergenstollen. Ein hell leuchtendes Grün umgab uns, leitete unsere Schritte tiefer in den Wald hinein. Mein Zeitempfinden schwand nun gänzlich. Am Ende des Weges konnte ich irgendwann die Quelle des Lichtes sehen. Ein kreisrunder Torbogen, der sich aus zwei Ahornbäumen zu formen schien und wieder diese floralen Schnitzereien aufwies, stand einfach da glühte förmlich hellgrün aus seinem Inneren. Ich war schier geblendet vom Licht und der ausströmenden Magie gleichermaßen. Es war einfach überwältigend.
Hyrasha nahm mich an die Hand, führte mich genau darauf zu, bis wir einen Schritt vor dem Torbogen stehenblieben. Sie berührte die Schnitzereien, woraufhin das Innere des Bogens aufleuchtete. Daraufhin schob die Frau mich vorwärts durch das Licht und trat ebenfalls hinein. Nur einen Schritt weiter verblasste hinter uns das Leuchten wieder und wir standen in einem anderen Wald. Dunkler, mehr Nadelbäume, kälter. Stellenweise lag Schnee auf den durchscheinenden Felsen. Wir waren da, im Ural, dem Eisenbergen!
Nun mussten meine Sinne uns leiten. Aber auch hier musste ich mich umdrehen, um zu sehen, woher wir kamen.
Das Tor war hier nicht mehr, als ein unscheinbares Relief in einer Felswand, für ungeübte Augen leicht zu übersehen. Die Muster des Torbogens kamen mir vertraut vor, auch wenn ich keine Runen sehen konnte. Die Verzierung war klar umrissen und von einfacher geometrischer Struktur, sie hatte zwergischen Charakter. Nun wünschte ich mir, einen dieser tollen Fotoapparate dabeizuhaben. Jede meiner Entdeckungen hätte ich abgelichtet. Uberts besaßen eine Leitz Leica, aber ich hätte mich nie getraut, danach zu fragen. Nun muss mir mein Gedächtnis genügen.
Es führten Stufen vom Felsen hinunter, denen wir langsam folgten. Der Wind wurde kräftiger und pustete uns kalt entgegen. „Ich wüsste gern, wo genau wir uns befinden, aber es kommt mir irgendwie bekannt vor.“, murmelte ich vor mich hin. Hyrasha schien mich verstanden zu haben, wie auch immer sie das anstellte und antwortete: „Im mittleren Teil des großen Gebirges. Das Portal lässt sich durch gezielte Gedanken sehr gut bedienen. Es gibt noch einige mehr in der gesamten Welt. Lass’ uns das Rasthaus hier finden und dort das weitere Vorgehen planen.“ Wir mussten wohl auf subtile Zeichen achten, um den besagten Ort zu finden. Wäre er von Zwergen errichtet worden, hätte ich wohl gute Chancen, ihn zu entdecken.
Die Treppe schlängelte sich an dem Felsen entlang bis sich ihr ein befestigter Weg anschloss, der neben einem klaren Bergbach entlangführte. Ich hielt die Augen auf.
Auch wenn es windig und kalt geworden war, pochte mein kleines Herz freudig. Bald mochte ich meine Heimat sehen! Die Natur war rau, aber einzigartig schön.
Der Weg zweigte nach rechts ab und bildete dort eine natürliche steinerne Brücke über den Bach, wo sie nur bis an eine Felswand heranführte. „Da, Hyrasha!“, rief ich, „Das Rasthaus.“ Ich lief über die kleine Brücke und schaute mir das Gestein näher an. Feine Linien formten das Bild eines Durchgangs, in Schulterhöhe waren links und rechts je zwei Runen in den Stein geritzt, die das Wort „gâra“ bildeten, schwach zu erkennen.
Das bedeutete „Unterschlupf“ oder „Zuflucht“ in meiner Sprache. Selbstbewusst drückte ich zugleich mit beiden Händen auf die Schriftzeichen. Es tat sich nichts. Hatte ich etwas übersehen? Hyrasha stand nun hinter mir. „Du hast recht, es ist hier. Aber der Mechanismus hat keine Energie. Welche Naturkraft nutzt ihr für gewöhnlich als Antrieb, Permoník?“ Ich überlegte. „Ein Mühlrad angetrieben vom fließenden Bach wäre denkbar. Also das Wasser als Naturkraft, wie du es sagtest. Ich halte nach einem Wasserrad Ausschau. Vielleicht ist eins unter der Brücke?“
Ich wandte mich um und ging zurück zum Weg auf der anderen Seite des Baches. Möglicherweise konnte ich irgendwo eine Konstruktion entdecken. Unter der natürlich wirkenden Brücke fand ich tatsächlich etwas. In die Felswand war eine Rinne gehauen worden, die Wasser führte. Ich folgte mit den Augen ihrem Verlauf und ging dabei den Weg weiter ein Stück abwärts. Im Fels eröffnete sich eine Art Höhle, mehr eine Einbuchtung, die ein Wasserrad hätte aufnehmen können, aber aus der Rinne ergoss sich das Wasser nur hinunter in den Bach zurück. Der Weg machte eine Biegung nach links und hielt sich nahe am Bachlauf. Eine zweite Felsbrücke überspannte das Gewässer und führte in die Höhle hinein. Ich war beeindruckt und folgte freudig meiner Neugier.
„Warte, närrischer Permoník!“, rief Hyrasha irgendwo hinter mir. Ich bekam es nur halb mit, ließ mich nicht beirren und betrat das Radhaus. Das steinerne Lager für die Antriebsachse war eindeutig zu erkennen, aber die Holzkonstruktion war nicht vorhanden. Wurde sie zerstört? Hatte die lange Zeit ihr Werk getan? Hatte man das Mühlrad abgebaut?
Ich glaube, ich stelle mir selbst zu viele Fragen. Irgendwie musste ich die Wassermühle wieder ans Laufen bekommen.
Hyrasha schloss zu mir auf. „Wir sollten Feuerholz suchen und uns etwas aufwärmen. Die Höhle bietet uns Schutz. Dann können wir uns auch überlegen, was wir tun können.“, bot ich ihr an. Sie nickte, wobei ihre Zöpfe vor und zurück schwangen, dabei sah sie mich streng aus ihren eisblauen Augen an. „Du solltest nicht einfach blind loslaufen, mein Freund. Es lauern Gefahren, wenn du nicht aufpasst.“ Ich schluckte und nickte zurück. „Dann lass uns Holz sammeln gehen und etwas ausruhen. Danach werde ich mich hier genauer umsehen. Es könnte sich ja etwas finden lassen.“
Also verließen wir gemeinsam die Höhle und sammelten Holz für das Lagerfeuer. Der Wind ließ nicht nach und wehte alten Schnee umher, die Wolken am Himmel verdichteten sich. Das Holz und etwas Gestrüpp war schnell gefunden und in das Radhaus gebracht. Einige faustgroße Steine, die den Feuerplatz begrenzen sollten, legte ich kreisförmig aus. Das Gestrüpp packte ich in die Mitte, holte mein Feuerzeug aus der Gürteltasche und zündete es an. Das Holz zerteilte ich in armlange Stücke und schichtete diese zu einem Lagerfeuer auf. Wir nahmen still eine Mahlzeit ein. Noch hatten wir Brot und Wasser als Proviant. Etwas alten Käse und getrocknete Wurst hatte ich auch noch aufgehoben von meinem Frühstück mit dem Krakonoš. So stärkten wir uns und das Feuer spendete Licht und Wärme. Alles in allem waren wir recht schnell bis hierher gekommen, seit Gabil‘urdûm sollten erst 4 Tage verstrichen sein.
Nach der Stärkung gewann meine Neugier wieder die Oberhand. Ich begann das bisher einzig Offensichtliche zu untersuchen, das Lager der Antriebsachse. Es sah aus wie ein flacher Felsblock mit einer halbrunden durchgehenden Vertiefung, in die man einen Baumstamm hätte legen können, mit einem Durchmesser von gut einer Elle. Daneben lag auf die Seite gekippt ein Stein mit einer gleichartigen Vertiefung, nur flacher und weniger breit. Das musste das Gegenstück sein, dass die Achse oben festhalten würde. Allein konnte ich den behauenen Stein nur unter Mühen bewegen, aber nicht heben. „Werte Bewahrerin der Sagen, geh mir doch bitte zur Hand. Dieser Stein muss auf dieses Podest gehoben werden.“ Ich zeigte dabei deutlich auf beides. Hyrasha kam zu mir herüber und gemeinsam wuchteten wir die Führung auf das Lager und richteten die Aussparungen möglichst korrekt auf einander aus. Es klickte in der Apparatur und Runen glommen hellblau auf der glatten Fläche des Lagersteins auf. Mein Herz schlug auf einmal wild vor Aufregung, während ich mich daran machte, die Runen zu entziffern.
„Der Zutritt gebührt jenen, die ihr Wissen nutzen. Läuft das Rad im Gleichklang der Natur, wird es ihm an nichts fehlen.“ Ich fuhr mit der Hand über die Zeichen für „Zutritt“, was „mudnû“ hieß und drückte darauf.
Aus dem hinteren Bereich der Höhle folgte mechanisches Poltern. Die Felswand wurde von einem Pfahl durchstoßen, der sich genau auf den Lagerbock zu schob. Von oben senkte sich ein metallenes Schaufelrad, das von der Antriebswelle aufgenommen wurde. Als alles in Position war, setzte sich das Mühlrad langsam in Bewegung. Die Energieversorgung war hergestellt. Das Lagerfeuer brannte noch. Bevor wir gingen mussten wir es noch löschen. Ich zog die Holzscheite mit dem Beil auseinander, leerte meine Wasserflasche darüber aus und ging sie wieder auffüllen. Nach einigen Minuten und mehreren Entleerungen der Flasche war es geschafft und wir konnten zur Tür gehen, die sich nun öffnen lassen sollte.
Ich drückte mit der linken Hand auf „gâ“ und mit der rechten auf „ra“, die Runen leuchteten auch hier hellblau auf. Der Fels wich einem Durchgang, der in das Innere führte. Hyrasha musste sich beim Eintreten bücken, um sich den Kopf nicht zu stoßen, aber drinnen war es hoch genug für sie. Die Wände spendeten auch hier bläuliches Licht, wie es aus Gabil‘urdûm kannte, nur eine Nuance heller. An der Wand stand in großen leuchtenden Runen geschrieben: „idmî ukdâm“, „Willkommen Reisende“.
Der Raum war etwas staubig, aber ansonsten aufgeräumt und gastlich. Neben dem Kamin auf der linken Seite war noch reichlich Brennholz aufgestapelt, trockener Zunder lag griffbereit auf dem Sims. Ein aus dem Stein gehauener Tisch ragte in der Mitte hervor, um ihn herum fand man vier Sitzmöglichkeiten, die ebenfalls fachmännischer Steinmetzkunst entsprangen. Wie Hocker, die mit dem Boden verwachsen schienen. Rechter Hand war ein Regal in den Fels getrieben worden. Geradeaus führte ein Durchgang tiefer hinein. Hinter uns verschwand der Ausgang, die Runen zum Öffnen der Tür prangten nun in deren Mitte: „yamar“, was „Ausgang“ bedeutete.
Wir gingen nun langsam voran und betraten den zweiten Raum, der eine Art Schlafsaal zu sein schien. Holzpritschen waren zweireihig in die Wände links und vor uns im Gestein eingelassen. Die untere Reihe in Sitzhöhe, die obere in Schulterhöhe eines Menschen. In den Ecken waren Stufen in den Stein gehauen, um auf die oberen Ruhelager gelangen zu können. So konnten gut und gerne acht Personen von menschlicher Größe hier schlafen. Rechts zweigte eine weitere Tür ab.
Verschlossene Türen machen mich immer neugierig. Es reizte mich, auch diese zu öffnen, also drückte ich langsam den Hebel herunter und zog die vorsichtig auf. Abgestandene Luft strömte uns entgegen, dass wir husten mussten. Das überall vorherrschende blaue Licht in den Felswänden ließ uns einen kleinen Lagerraum erkennen.
Zwei schwere Holzfässer auf Böcken, eine geräumige hölzerne Truhe, ein Granitquader mit einer Abdeckplatte und in der Mitte eine silbrig schimmernde Kettenrüstung auf einem Ständer konnten wir ausmachen. Im rechten der beiden Fässer war sogar noch Met zu finden, der aus dem Zapfhahn floss als ich diesen leicht öffnete. Das andere Fass war leer, roch aber eindeutig nach Bier. Die Truhe war gefüllt mit allerlei Dingen, wie Hornbechern, Tonkrügen, Tellern und Besteck. Alles in tadellosem Zustand, nur etwas staubig. Kurzerhand putze ich einen der Becher mit meinem Tuch aus und nahm mir einen Schluck Met, nur um mal zu probieren.
Den durch die lange Lagerzeit erhöhten Alkoholgehalt konnte man direkt riechen, dennoch schmeckte der Honigwein süß und lecker wie eh und je.
Der Raum war nicht sonderlich groß, sodass der Platz nur ausreichte, um sich an den Vorratsbehältern bedienen zu können. Zu zweit war es recht beengt. So kam es, dass ich beim Umdrehen an den Rüstungsständer stieß und ihn dabei gegen die Wand schob. Doch dahinter befand sich eine Nische, in die ich die Rüstung tatsächlich schob. Auf einmal knackte und rumpelte es aus der Wand hinter der Rüstung, die Steine der Nische schoben sich beiseite und gaben einen zwergenhohen Durchgang frei. Der Raum dahinter war ebenfalls vom bekannten blauen Licht erhellt. „Schau Hyrasha, ein Geheimgang! Lass uns das Gestell dort herausholen und sehen, was wir dahinter finden.“ Sie nickte ihr gewohntes Nicken und gemeinsam zogen wir den Ständer raus auf den Korridor. Die Geheimtür schloss sich wieder schabend. Ich ging selbstbewusst auf die Aussparung in der Wand zu und stellte mich hinein. Augenblicklich begannen die Geräusche wieder und die Tür öffnete sich wieder. Ich stand wohl auf einer Druckplatte.
Hyrasha deutete ich, mir zu folgen und ging hinein.
Nachdem auch Hyrasha neben mir angelangt war, schon sich die Tür wieder zu. Einige Meter weiter hallten meine Schritte auf einmal metallen. Der Boden war hier mit Metallplatten ausgelegt, durch die sich zwei Schienenstränge zogen. Linker Hand endeten die Gleise. Die Lorenbahn in Gabil‘urdûm sah dem hier recht ähnlich, also hielt ich nach einem Steuerpult Ausschau. In die Wand eingelassen, fand ich es auch schnell. Die Bedienung entsprach dem Gerät in Rübezahls Heim. Ich drückte den Knopf, der uns einen Wagen auf das Gleis stellen sollte und der Mechanismus setzte sich unverzüglich in Gang. Die Wand am Gleisende schob sich hoch und eine Lore mit Sitzbänken rollte auf das Gleis. Ich setzte mich grinsend auf die vordere Sitzbank und schaute mir die Steuerung an. Bremshebel hier, Startknopf auf einem kleinen Paneel vor mir. Was brauchte man mehr?
„Damit willst du wirklich fahren, Permoník?“, fragte Hyrasha skeptisch. Vielleicht hatte sie sogar etwas Angst vor der Technologie meiner Vorfahren. Ich nickte aber freudig und meinte: „Steig ein, ich kenne solche Bahnen bereits, sonst wäre ich nicht so schnell vorangekommen. Die erste hatte mich bis in die Waldaihöhen gebracht.“ Mit einem Stirnrunzel stieg die große dunkelblonde Frau in die Lore und setzte sich auf die hintere Bank. Ich betätigte den Knopf vor mir und das Gefährt rollte ruckelnd los.
Nach nur wenigen Metern, am Ende des kleinen Bahnhofs, ging es abwärts und die Lore nahm gut an Fahrt auf. Gut, dass wir uns an Stangen festhalten konnten. Einige Minuten lang ging es mal rechts, mal links entlang, aber immer wieder nach unten, in den Berg hinein. Ich blickte nach unten, damit mir nicht übel werden sollte und zog vorsichtig am Bremshebel, von hinten hörte ich unterdrücktes Husten. Plötzlich stoppte der Wagen von ganz allein und wir befanden uns in einem Raum, der dem Bahnhof am Start unserer Fahrt ähnelte, nur war dieser hier kleiner.
Ich stieg aus, meine Beine fühlten sich etwa wackelig an und im Kopf drehte es sich ein wenig. Hyrasha drehte sich weg und erbrach sich, bevor sich auf meiner Seite sichtlich angeschlagen die Lore verließ.
Auch in dieser Bahnstation befanden sich zwei Gleise und an der Wand konnte ich eine Steuerkonsole erkennen. In Richtung der Gleise war der Raum offen und ich konnte sehen, wie die Schienen aufwärts führten. Links gab es einen Durchgang in Zwergenhöhe mit einem blau leuchtenden Schriftzug darüber:
Takal Dûm
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Sumire (Montag, 13 Juni 2022 10:42)
Haha, endlich hab ich es geschafft zu lesen. Gefällt mir wieder sehr gut. Es ist ein bisschen wie vom Hobbit Bilbo zu lesen, der durch eine ihm fremde und wundersame Welt reist. Finde ich toll und warte gespannt auf die Fortführung.