Der Postzwerg und die leuchtende Höhle

Ein bärtiger Mann, der eine graue Uniform anhat, trägt einen großen Korb auf dem Rücken und geht damit durch ein Dorf. Generiert mit Canva Magic Media.
Der Postzwerg mit dem Tragekorb (KI-generiert)

 

 01. Herbsttage

 

Daril der Postzwerg tat an sechs der sieben Wochentage seinen Dienst im Dorf und war von den Menschen dort stets gern gesehen. Sein kleines Abenteuer mit den beiden Mädchen hatte sich bald im gesamten Ort herumgesprochen. Einige andere Kinder wollten auch gern einmal mit dem netten Zwerg auf Entdeckungstour gehen, manche sprachen ihn sogar darauf an. Daril versprach lächelnd den jungen Menschen: „Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, werdet ihr die ersten sein, mit denen ich losziehe!“

 

Sonntags besuchte er zu Kaffeezeit gern Fargal, den Zwerg und seine Frau Yara, die Elfin in deren kleinem Haus am Wald. Die Mädchen Elisa und Vanessa waren dort auch oft zu finden, da sie den alten Leuten auf dem Hof halfen, die Hühner zu füttern oder mit ihren Eltern den Einkauf vorbeibrachten. Dafür wurden sie mit Kuchen oder anderen Leckereien verwöhnt.

 

Es wurde Herbst. Erste gelbe und rote Blätter lösten sich von den Laubbäumen, die begannen den Waldboden neu zu bedecken. An einem kühlen und nebligen Morgen sortierte Daril wie jeden Tag seine Post vor. Dabei fiel ihm ein Brief besonders auf. Der Umschlag war aus schwerem Papier, der mit einem Siegel aus grünem Wachs verschlossen war, das einen Hammer und eine Spitzhacke zeigte, die sich kreuzten. Ein Absender war nicht angegeben. Die Adresse des Empfängers prangte in großer geschwungener Schreibschrift auf dem Kuvert: „An Brog Bachkiesel, Wiesenpfad 4“. Eine schöne Briefmarke aus einem fernen Land hatte der Versender sorgsam in die rechte obere Ecke geklebt. Daril stutzte, als er den Namen las. „Das kommt aber selten vor, dass Brog Post bekommt und heute auch noch so einen schönen Umschlag.“

 

Bald hatte der pflichtbewusste Postzwerg seinen Korb und seine Tasche gepackt und konnte seine Zustellrunde beginnen. Der Nebel löste sich langsam auf und machte dem Sonnenschein Platz. Dennoch blies der Wind kühl, sodass Daril seine Jacke fest zuziehen musste. Am Blaubeerforst vorbei erreichte er bald das Dorf, in dem er den Leuten Briefe und Pakete brachte und ging dabei von Haustür zu Haustür und von Briefkasten zu Briefkasten. Nicht an jedem Haus traf er die Bewohner an, für die er ein Paket aus seinem Tragekorb zog. Manchmal gab er eines bei den Nachbarn ab, andermal ging er um das Haus herum und legte es dort ab. Wenn er ein Paket nicht einfach vor Ort lassen durfte, füllte der Zwerg eine Karte aus, die er den Menschen im Briefkasten hinterließ und nahm das Paket wieder mit. Auf der Karte stand, dass sich die Empfänger ihre Sendung auf der Poststelle später abholen konnten.

So zog der kleine rundliche Postbote seine Runde durch das beschauliche Dorf und näherte sich nach und nach auch dem Haus von Brog Bachkiesel im Wiesenpfad.

 

02. Ein Brief und Erinnerungen

 

Eine Mauer aus großen Bruchsteinen umgab das Grundstück von Brog Bachkiesel. Als Daril der Postzwerg das Hoftor erreichte, läutete er die schwere Glocke, die an einem gemauerten Pfeiler hing. „Dong, dong. dong!“, tönte es unüberhörbar. Kurz darauf hörte man die Haustür klappern und eine brummige Stimme rufen: „Ich komme ja schon. Was soll der Lärm?“ Das Tor knarzte beim Öffnen und ein älterer Zwerg reckte seine dicke Nase nach draußen. Brogs Gesicht erhellte sich zu einem breiten Lächeln, als er den Postboten erkannte: „Ach Daril. Was gibt es?“ „Ich habe einen Brief für dich. Weil du ja keinen Briefkasten hast, musste ich bei dir klingeln, Brog.“, sagte Daril und überreichte dem anderen Zwerg den schönen Umschlag mit dem grünen Siegel und der schicken Briefmarke. Mit prüfendem Blick nahm der Ältere den Brief entgegen und beäugte ihn interessiert. „Das sieht wichtig aus. Danke dir, Daril.“, entfuhr Brog aufgeregt, der schnell das Tor schloss und Daril stehen ließ. Der Postbote ging aber, ohne überrascht zu wirken, weiter seiner Arbeit nach.

 

Ein weiteres Mal vernahm der Postzwerg das Geräusch des alten Holztores hinter sich. Brog rief ihm nach: „Daril, komm mich bitte nach deiner Arbeit besuchen. Ich brauche deine Hilfe, es eilt aber nicht.“ Der jüngere Zwerg drehte sich kurz um und nickte, dann setzte er seinen Weg durch das Dorf fort.

Je näher der Feierabend kam, umso mehr beeilte Daril sich dann doch, um seine Neugier möglichst schnell zu stillen. Kaum war er am frühen Nachmittag zurück im Postamt, legte er die Kiepe ab und zog sich um. Dann lief er eilig zu Brogs Haus und klopfte mit der linken Hand laut gegen das Tor, während er mit der rechten die Glocke anschlug. Die Haustür schlug geräuschvoll auf und Brogs Stimme erklang leicht genervt. „Ist ja gut, ich habe dich gehört.“, grummelte der weißhaarige Zwerg mit dem Wohlstandsbauch, als er am Tor ankam und es öffnete. „Komm herein, Daril.“, gab er kurz angebunden zu verstehen, dann verschloss er die Pforte wieder sorgsam. Sie überquerten den Hof und begaben sich in das Haus.

 

„Setzen wir uns an den Kamin, mein Freund. Ich komme gleich mit dem Tee dazu.“, lud der Ältere seinen Gast ein, Platz zu nehmen. Kurze Zeit später brachte Brog zwei Teetassen zu dem kleinen, fein gearbeiteten Holztisch, der zwischen zwei großen Ohrensesseln vor dem Kamin stand. Dort knisterte ein lebendiges Feuer, das den Anflug von herbstlicher Kälte schnell vertrieb. Noch einmal wendete der Hausherr sich ab und kam bald mit der Teekanne wieder, aus der ein feiner Dampffaden entwich. Er schenkte beiden ein, dann setzte er sich.

„Als ich jung war, arbeitete ich als Bergmann in einer Kristallmine. Der Brief von heute Morgen kam von der Frau meines damaligen Vorarbeiters. Ich möchte, dass du mich zu ihm begleitest. Wir hatten damals eine großartige Entdeckung gemacht.“, erzählte Brog langsam und nachdenklich. Daril willigte verständnisvoll nickend ein: „Ich komme mit, aber erzähl mir bitte mehr davon.“

 

03. Eine kurze Reise

 

Der weißbärtige Zwerg nippte genüsslich von seinem dampfenden Tee, bevor er weitersprach: „Kristalle bilden sich im Gestein gar nicht so oft, denn es bedarf besonderer Umstände, dass Mineralien kristallisieren. Salze sind da die Ausnahme. Wir stießen damals unter Tage gegen jede Erwartung auf eine ganze Höhle voller im Lichtschein unserer Laternen funkelnder Steine. Mein Vorarbeiter, Steiger Walig, und ich versprachen uns, über diese Höhle niemals ein einziges Wörtchen zu erzählen. Du bist nach all den Jahren der Einzige, der nun auch davon weiß, Daril. In dem Brief, den du mir brachtest, ließ er mir mitteilen, dass er nicht mehr lange zu leben hat und ich einen vertrauenswürdigen Zwerg einweihen und ihm vorstellen soll. Übermorgen, am Sonntag, werden wir ihn besuchen und dir die ganze Geschichte erzählen.“

Der Postzwerg nickte langsam. „Ich danke dir für dein Vertrauen, Brog. Natürlich werde ich mit dir deinen Freund besuchen. Euer Geheimnis wird bei mir sicher sein.“, versprach er dem Älteren.

Die beiden plauderten an diesem Abend noch lange miteinander, ehe sich Daril auf den Heimweg machte. Am Samstagmorgen fiel es dem Postzwerg recht schwer, früh für die Arbeit aufzustehen, aber er gab sich einen Ruck und ging seinem geschätzten Tagwerk nach, auch wenn es leicht nieselte.

Auf seinem Zustellgang kam auch Brog ihm entgegen. „Grüße, Daril! Wir treffen uns morgen früh um acht an meinem Hoftor. Ich werde nicht warten.“, sprach er und setzte eilig seinen Weg fort. Der Postzwerg antwortet mit einem knappen „Aye.“ und ging zum nächsten Haus, um ein Paket auszuliefern.

 

Der Sonntag erwachte mit zögerlichem Sonnenschein, der den jungen Zwerg gut gelaunt aus dem Bett holte. Nach einem guten Frühstück packte Daril sich noch eine Brotdose in seinen ledernen Rucksack, bevor er das Haus verließ und zu Brog ging. Die Kirchenglocken schlugen gerade acht Mal, als er an das Holztor trat und läuten wollte. Doch genau in jenem Moment zog Brog das Tor auf und trat auf die Straße. „Schön, du bist hier!“, begrüßte der Hausherr den Postzwerg, während er auch den anderen Torflügel aufschlug. Auf dem Hof stand ein einfacher Holzkarren mit einer Sitzbank. Ein kräftiges Pony, das wie ein etwas klein geratener grau-blauer Brabanter aussah, war davor gespannt, das den Wagen auf einen Pfiff von Brog hin vom Grundstück zog. Gemeinsam schlossen die Zwerge das schwere Tor wieder. „Alfred wird uns zu Walig bringen.“, bemerkte Brog und tätschelte dem Pony den Hals, bevor er auf den Kutschbock stieg. Daril setzte sich neben ihn, dann setzte sich Alfred nach einem Schnalzen von Brog gemächlich in Bewegung.

Bald hatten sie das Dorf hinter sich gelassen und zuckelten über die gepflasterte Straße nach Osten, unweit der Trollsteine. Es war um die Mittagszeit, als sie eines der Nachbardörfer erreichten und dort vor einem Haus aus Bruchsteinen hielten, in dessen Vorgarten hinter einem kunstvollen schmiedeeisernen Zaun die letzten Blüten des Jahres farbige Tupfer in das Gelb und Braun des Herbstlaubs malten.

 

04. Das Geheimnis der Höhle

 

Die Zwerge stiegen vom Wagen. Brog vertraute Daril Alfreds Zügel an und ging durch das Gartentor auf das rustikale Haus zu. Dort läutete er die Glocke, die oberhalb der grün gestrichenen Tür hing. Der jüngere Zwerg folgte mit dem Pferd auf den Hof, wo ihm direkt ein menschlicher Junge entgegenkam. „Hallo, kommen Sie mit, wir bringen ihr Pferd zum Stall!“, rief er Daril entgegen, als er gerade noch mitbekam, wie eine Zwergin die Haustür öffnete und mit Brog sprach, der auf den Postzwerg zeigte. Am Stall machte Daril Alfred vom Wagen los und führte ihn hinein. Der Brabanter schien den jüngeren Zwerg zu mögen, denn er ließ sich problemlos von ihm anbinden und mit dem Hafer füttern, den der Stalljunge brachte. Daril dankte dem Menschen und beeilte sich, Brog einzuholen.

 

Er wartete noch vor dem Haus auf Daril. Die Frau bat sie beide hinein, nachdem Daril sie gegrüßt und sich vorgestellt hatte. Sie lächelte freundlich und gleichzeitig traurig. „Walig erwartet euch in der Stube.“, sagte sie und wies ihnen den Weg.

Vor dem Kamin saß ein sehr alter Zwerg mit einem dünnen weißen Bart und Glatze in einem großen bequemen Sessel mit braunem Bezug. Seine Beine waren in eine blaue Wolldecke geschlagen. Beinahe konnte man glauben, er würde schlafen, doch er musste den Besuch bemerkt haben. Seine wachen grauen Augen taxierten erst Brog, dann Daril. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er zu reden ansetzte: „Mein Freund, wie schön dich noch einmal sehen zu dürfen.“, wandte er sich mit rasselnder Stimme an Brog und streckte seine Arme nach ihm aus. Eine kurze Umarmung drückte die enge Verbundenheit zwischen den beiden Männern aus. Brog stellte sich vor den alten Walig und zeigte auf seinen Begleiter. „Dieser junge Mann ist Daril, ich vertraue ihm und habe ihn kurz mit der Geschichte bekannt gemacht.“

 

Der Greis bedeutete den beiden Besuchern, sich auf die beiden Hocker zu setzen, die vor dem Sessel bereitstanden. Brog fuhr fort, nachdem er sich gesetzt hatte: „Er weiß, dass wir damals gemeinsam in der Mine gearbeitet hatten und dabei die Kristallhöhle entdeckten. Mehr hatte ich noch nicht erzählt.“ Daril nickte daraufhin.“Warum ist diese Höhle denn ein Geheimnis? Was ist besonders an ihr?“, fragte der Postbote offen an Walig gerichtet. Der Alte lächelte und begann zu erzählen: „Die Höhle ist ein Schatz der natürlich entstanden ist. Ich wollte nicht, dass jemand von ihr erfährt, damit sie erhalten bleibt, wie wir sie entdeckt hatten. Hier und dort einen Kristall zu ernten oder eine Geode zu finden, ist ein Glücksfall, aber diese Höhle grenzt wahrlich an ein Wunder, das niemand zerstören darf. Sie muss erhalten bleiben.“ Den letzten Satz sagte der alte Steiger mit solchem Nachdruck, dass er begann, schwer zu husten. Seine Frau kam mit besorgtem Gesicht in das Wohnzimmer und gab ihm eine Arznei zu trinken, die seinen Hustenanfall schnell beendete. Brog setzte fort, als die Dame des Hauses das Zimmer wieder verlassen hatte.

„Die Höhle selbst glich einer riesigen Geode. Etwas derart Schönes hatte ich mein Lebtag noch nie gesehen, bis heute nicht.“

 

05. Sonntag mit Zwergen

 

Waligs Augen leuchteten auf, als Brog davon gerührt erzählte. Daril wusste, dass es Amethystgeoden gab, die so groß waren, dass zwei oder drei Zwerge darin Platz haben könnten, doch eine ganze Höhle war etwas Einmaliges. „Du musst ihm die Höhle bald zeigen, Brog.“, bat der Greis seinen ehemaligen Mitarbeiter. Brog erhob sich, legte seine rechte Hand an die Brust und sagte: „Ich verspreche es dir, alter Freund. Bald bringe ich Daril in die Mine und zeige ihm unsere Entdeckung.“ Auch Daril erhob sich und tat es seinem Vorredner gleich. „Ich verspreche, dass ich euer Geheimnis für immer wahren werde und freue mich darauf, es bald mit eigenen Augen sehen zu dürfen.“, bekräftigte der Postzwerg. Der alte Minenarbeiter lächelte zufrieden, nahm ein kleines Glöckchen in seine linke Hand, das er wohl die ganze Zeit bei sich gehabt hatte, und läutete es. Kurz darauf erschien seine Frau. „Liebste, meine Freunde sollen noch bei uns essen, ehe sie wieder heimfahren, veranlasse bitte das Nötige. Ich muss mich etwas ausruhen.“

 

Damit war die Unterredung mit Walig beendet und seine Frau führte den Besuch in das Esszimmer nahe der Küche, aus der es schon gut duftete. „Setzt euch einfach, es gibt heute keine Sitzordnung.“, meinte die Zwergin zu Daril und Brog, die daraufhin an dem schweren großen Holztisch Platz nahmen, an dem acht ebenso robuste Stühle standen. Eine alte Grubenlampe nahm die Mitte des Tisches ein. Kaum saßen sie, kam jemand aus der Küche zu ihnen. Ein blonder Zwerg mit einem dichten gepflegten Bart brachte einen großen Tonkrug Wasser zum Tisch. Hinter ihm trat eine junge zwergische Frau ein, die Ähnlichkeit mit dem Mann hatte, die Becher aus Steingut dabei hatte. Sie begrüßten die Gäste freundlich: „Ich bin Wejk, sie ist meine Tochter Fila. Wir arbeiten für die Herrschaften. Es freut mich, euch kennenzulernen.“ Brog und Daril stellten sich kurz vor während die Bediensteten an sieben der acht Plätze die Becher verteilten. Fila kam kurz darauf mit Essgeschirr zurück und verteilte auch dieses auf dem Tisch. Später brachten sie und ihr Vater noch Knödel und Rotkohl.

 

Es dauerte nicht lange, dass sich das Esszimmer füllte. Eine ältere Zwergin, die eine blau gemusterte Schürze trug, brachte einen großen Topf voller Gulasch mit. Wejk stellte sie vor: „ Morka, meine Frau, die Köchin.“ Auch der Stalljunge setze sich zu uns, die Hausherrin nahm am Kopfende der Tafel Platz. „Ich danke euch allen, dass ihr hier seid. Lasst uns essen.“, eröffnete sie das Mahl.

Daril genoss das gute Essen und fühlte sich sichtlich wohl. Man machte sich untereinander bekannt und unterhielt sich gut während die Zeit verging

Die Mittagsstunde war schon lange vorbei, als Brog zum Aufbruch drängte: „Langsam sollten wir den Wagen bereit machen, damit wir es vor der Dunkelheit zurück schaffen.“, stellte er fest. Er und Daril bedankten sich bei allen, bevor sie zum Stall gingen und Alfred wieder vor den Karren spannten.

Die Hufe des kleinen kräftigen Pferdes schlugen laut auf das Kopfsteinpflaster der Straße und der Wagen rumpelte hintendrein, als sie gemütlich Richtung Sonnenuntergang nach Hause fuhren.

 

06. Die alte Mine

 

Mit der Abenddämmerung kamen sie bei Brogs Haus an. Gemeinsam kümmerten sie sich um Alfred und schoben den Karren in die Scheune, ehe sie sich voneinander verabschiedeten und Daril nach Hause ging. Durch den Sternenhimmel wogten kleine Wolkenfetzen und dem Postzwerg war kalt geworden, als er durch die heimische Haustür schritt. Morgen früh würde für Daril eine neue Arbeitswoche beginnen, deshalb wollte er früh schlafen gehen.

 

In den nächsten Tagen geschah nichts Ungewöhnliches. Daril drehte jeden Tag seine Zustellrunde durch das Dorf, redete dabei mit den Leuten und freute sich dabei über jede nette Begegnung. Am Donnerstag traf er auf Brog, der ihn zu sich winkte. „Wenn du am Sonntag noch nichts vorhast, möchte ich den Tag gern wieder mit dir verbringen. Wenn du um acht Uhr vor meinem Tor stehst, können wir los.“, lud er den Postzwerg ein, der sich schon denken konnte, worum es ging.

Natürlich war Daril pünktlich vor Ort, um mit Brog die Kristallmine zu erkunden.

„Alfred bleibt heute zu Hause, wir gehen zu Fuß.“, informierte Brog seinen Freund, ohne einen „guten Morgen“ zu wünschen. „Wir müssen nordwärts durch den Wald.“, fügte er an. Daril nickte nur und folgte dem Minenarbeiter, der heute eine grobe graue Wolljacke trug, unter der ein Werkzeuggürtel hervorschaute. Sie gingen die Dorfstraße hinunter und bogen dann links in den Wald, an Fargals und Yaras Haus vorbei. Die Waldwege brachten sie bis zum Wasserfall mit dem Aussichtspunkt, wo sie eine kurze Rast einlegten. Brog drängte weiter, kaum das Daril sein Brot aufgegessen hatte. Ein Stück weiter den Felsen hinauf führte Brog seinen Begleiter auf einen schmalen Pfad abseits der Wanderwege.

„Die Mine wurde stillgelegt, nachdem Walig und ich die Höhle entdeckt hatten. Wir erzählten, dass es sich hier nicht mehr lohnen würde, nach Kristallen zu suchen. Den Eingang hatten wir magisch versiegelt.“, berichtete der Bergmann. Was Bergbau betraf, vertraute man Zwergen besonders, da Höhlen und Tunnel ihre eigentliche Heimat sind.

Bald erreichten die Zwerge den Fels, in dem ein Torbogen eingeritzt zu sein schien. Aus einem Beutel an seinem Werkzeuggürtel zog Brog einen glitzernden Stein, den er gegen den Felsen hielt. Der Torbogen im Fels leuchtete fliederfarben auf, verschwand und gab den Durchgang frei.

 

„Willkommen in der Kristallmine.“, lud Brog den Postzwerg ein, den Stollen zu betreten. Direkt hinter dem Eingang standen einige alte Grubenlampen bereit, von denen Brog zwei mit einem altmodischen Feuerzeug entzündete. Eine überreichte er an Daril, bevor er den Eingang wieder verschloss. Der Boden des Tunnels zeigte Spuren von Wagenrädern und Pferdehufen, die sich über lange Zeit in das Gestein gearbeitet hatten. Brog begann wieder zu erzählen, als sie dem unterirdischen Gang folgten: „Die Menschen werden sich kaum noch an diese Mine erinnern, denn es ist gut einhundertdreißig Jahre her, dass wir sie aufgegeben hatten. Ponys und Esel halfen, uns den Abraum und die Schätze ans Tageslicht zu bringen, die wir hier abbauten. Es war eine ruhige Zeit, in der wir unter Tage einfach unserer Arbeit nachgehen konnten.“ Daril hörte Brogs Worten gespannt zu, während sie immer tiefer in den Berg eindrangen.

 

07. Die leuchtende Höhle

 

An manchen Stellen waren die Stollen mit Holzbalken abgestützt, wo der Fels nicht tragfähig war und je tiefer die beiden Zwerge in die weitverzweigte Mine hineingingen, umso enger wurden die Gänge. Brog schien sich immer noch hervorragend in dem Tunnelsystem auszukennen. Auch wenn er lange Zeit nicht hier gewesen war, schritt er zielstrebig voran. „Bald sind wir da.“, verkündete er und bog bei der nächsten Gelegenheit rechts in einen Schacht ab, der noch schmaler wurde und merklich abwärts führte. Unerwartet endete der Stollen in einer Wand, die so aussah, als habe jemand einfach aufgehört zu graben. Es lagen sogar noch einzelne Steinbrocken herum, die nicht weggeräumt waren.

 

Brog zog abermals seinen magischen Edelstein hervor. In der Wand öffnete sich ein Loch, durch das ein Mensch oder Zwerg gerade so hindurchpasste. Brog ging auf die Knie und krabbelte durch den engen Durchgang. Daril tat es ihm nach und kroch durch das Loch im Fels. Die Wand war nicht dick, und beide konnten sich direkt wieder aufrichten. Vor ihnen blinkte und glitzerte es auch ohne den fahlen Lichtschein ihrer Lampen. Welch wundervoller Anblick! Kristalle bedeckten Wände, Decke und auch teilweise den Boden der Kaverne. Sie strahlten in allen erdenklichen Farben von Gelb über Orange zu Rot, von Violett zu Blau bis hin zu Grün. Eine Lichtquelle konnte Daril nirgends ausmachen, die das fantastische Funkeln erklären könnte. Mit offenem Mund stand er einfach da und ließ die unwirklich anmutende Szene auf sich wirken.

 

Endlich fand der Postzwerg wieder zu sich. „Wunderschön! Woher kommt das Licht, Brog?“, gab er immer noch erstaunt von sich. Der ältere Bergmann lächelte nur und antwortete: „Das weiß ich auch nicht. Genau ist das Geheimnis dieser Höhle. Ich glaube, wir haben es mit magischen Kristallen zu tun. Diese Vermutung war für Walig und mich der ausschlaggebende Grund, die Existenz der Höhle zu verheimlichen.“ Vorsichtig schritten sie gemeinsam tiefer in den Hohlraum im Fels hinein. Ein warmer Luftzug strich sanft über ihre Gesichter, fast wie ein Rhythmus, wie ruhiges Atmen. In ihren Bäuchen machte sich langsam ein ungutes Gefühl breit, das sie nicht so recht fassen konnten, aber ihnen war nicht wohl dabei, weiterzugehen. Ängstlich schauten die Zwerge einander an. Brog zeigt mit dem Daumen seiner linken Hand Richtung Ausgang, Daril nickte und beide zogen sich so leise wie möglich zurück.

 

Noch bevor sie am Loch in der Wand angekommen waren, verfehlte Daril einen Schritt und knickte mit dem rechten Fuß um, sodass er geräuschvoll hinfiel. „Aua, mein Fuß!“, schrie er auf und die Luft veränderte sich mit einem Male merklich. Ein starker heißer Wind blies plötzlich in die Richtung der Zwerge, die sich mühten, die wundersame Höhle durch den schmalen Durchgang zu verlassen.

„BLEIBT!“, hallte es mit dunkler, befehlender Stimme durch den Berg, worauf Brog und Daril wie versteinert auf dem harten Boden zu liegen kamen.

 

08. Ein neuer Freund

 

Die Hitze aus der Tiefe der farbenfroh strahlenden Höhle ließ mit einem Male nach. Die Zwerge vernahmen das Tapsen sich nähender nackter Füße auf dem Steinboden. „Wartet, Zwerge!“, rief eine junge Stimme ihnen nach. Brog schüttelt verwirrt seinen Kopf, als er sich wieder aufrichtete, auch Daril schien verwundert. Der Postzwerg setzte sich aber hin und begutachtete seinen schmerzenden Fuß.

Im Licht der Kristalle erkannten die Zwerge, wie der Schatten einer menschlichen Gestalt zu ihnen aufschloss. „Nehmt mich mit, ich war schon viel zu lange hier. Bitte!“, sprach es wieder zu ihnen und kam immer noch langsam näher. Als das Wesen endlich in Sichtweite war, erschien es Brog wie ein Kind, das nur ein zerschlissenes Leibchen trug. Daril fasste Mut und rang sich durch, zu dem Kind zu sprechen: „Wer bist du und wie kommst du in diese Höhle? Ein Mensch kannst du nicht sein, auch wenn du aussiehst wie einer.“ Das Kind lachte leise, als es endlich vor den beiden Männern stand. „Diese Höhle ist mein Heim, ich bin der Drache Fyngor. Ihr seht mich nun in meiner menschlichen Gestalt. Als Drache hätte ich nicht in diese niedrige Ecke gepasst, aus der ihr kamt.“, grinste der rotblonde Junge mit den struppigen langen Haaren. Der Postzwerg wirkte sehr gefasst. Jede andere Person hätte solche Antworten als Spinnerei abgetan, doch Daril kannte eine Drachendame, die er sogar als seine Schwester bezeichnete.

 

Aus Brog wich der Schrecken nur langsam. Drachen kannte er nur aus Sagen und Märchen. Er hatte nie daran gedacht, je einen treffen zu können. Wenn Daril aber sagte, dass er bereits mit Drachen zu tun hatte, dann musste es einfach wahr sein.

„Ich hatte ja keine Ahnung …“, entfuhr es ihm flüsternd. Nachdem er seine Fassung wiedererlangt hatte, fragte der Minenarbeiter: „Du willst also dein Zuhause verlassen und die Welt erkunden?“ Der Junge grinste breit und nickte entschlossen.

Daril streckte Fyngor seine Hand entgegen und sprach: „Du kannst mit uns kommen. Mir wird schon etwas einfallen, wie man dich mit der Welt da draußen vertraut machen kann. Du brauchst dazu aber ein wenig Geduld.“ Der kleine Drache nahm das Angebot des Postzwergs an und ergriff die dargebotene Hand. „Danke!“, sagte Fyngor mit strahlenden Augen. Nun stellten sich die Zwerge auch mit Namen vor, nachdem das Wichtigste geklärt worden war.

Nacheinander krabbelten die drei durch das Loch im Fels und rappelten sich in der Mine wieder auf. Daril trat vorsichtig auf und freute sich, dass sein Fuß mittlerweile weniger schmerzte. Fyngor bemerkte jedoch sein Zögern und das vorsichtige Auftreten. „Ist etwas mit deinem Fuß, Daril?“, fragte der Drache besorgt. Der Postzwerg zuckte nur mit der rechten Schulter: „Ich komme schon klar. Als wir vor deinem Gebrüll in der Höhle fortliefen, war ich mit dem Fuß umgeknickt.“ Der Junge verzog entschuldigend den Mund. „Das tut mir leid. Darf ich mir das mal ansehen?“, fragte er und der Zwerg ließ ihn gewähren.

Mit beiden Händen umfasste Fyngor den Knöchel des Postboten. Rötliches Licht loderte wie Feuer auf und umschloss das Bein. Als der junge Drache wieder losließ, bewegte Daril seinen Fuß wieder schmerzfrei. Lächelnd und mit einem Nicken bedankte er sich.

 

09. Drachengeschichte(n)

 

Plaudernd durchquerten sie zu dritt die Stollen und Tunnel der alten Mine, bis sie den Ausgang erreicht hatten. Schwacher Wind fegte leise durch die bunten Baumkronen des herbstlichen Waldes und manch nachmittäglicher Sonnenstrahl fand seinen Weg durch das Blätterdach, als sie ins Freie traten. Brog versiegelte den Eingang wieder, bevor sie sich auf den Weg zu dessen Hof machten.

 

Mit großen Augen und offenem Mund lief Fyngor zwischen den Zwergen. Sein Erstaunen über die ihm unbekannte Welt konnte er nicht verbergen. „Was mir meine Mutter mitgab, ist damit nicht zu vergleichen, es tatsächlich selbst zu erleben.“, freute sich der Junge. Brog stutzte bei der Aussage und fragte: „Kannst du mir das erklären? Du warst doch allein in der Höhle, oder irre ich da?“ Der Drache kicherte kehlig. „Wenn eine Drachendame Eier legt, gibt sie direkt ihr Wissen an den Nachwuchs weiter. Sie entscheidet dabei selbst, was sie dem Schlüpfling zuteilwerden lässt, ehe sie die Bruthöhle wieder verlässt und ihr Leben fortführt.“, erklärte er. Der Zwerg verstand und nickte. „Deine Mutter lebt also in dir fort. Drachen sind sehr faszinierend.“, fügte er an.

 

Der Abend dämmerte bereits, als Brog das Tor zu seinem Hof aufschloss und den Flügel aufschob. Daril verabschiedete sich und versprach auf seiner Zustelltour bei den beiden vorbeizuschauen. Vor sich hin grummelnd schob Brog das Tor wieder zu und lud Fyngor in sein Haus ein: „Lass uns noch etwas essen, bevor wir uns schlafen legen. Ich zeige dir, wo du bei mir wohnen kannst.“ Der Zwerg zeigte seinem Gast das Haus und erklärte ihm, wie sein Tagesablauf aussah. Eine kleine Kammer mit einem einfachen Bett und einem Holzstuhl wies er dem Jungen als Schlafraum zu. In dem Zimmer stand ein schwerer alter Schrank aus poliertem Kirschholz, aus dem der Zwerg frisches Bettzeug holte. „Ich zeige dir einmal, wie ein Bett bezogen wird. Beim nächsten Mal musst du es alleine machen.“, belehrte Brog den Drachen. „Wenn du dich erleichtern musst, findest du das Plumpsklo auf dem Hof neben dem Misthaufen. Zum Waschen gibt es draußen und auch in der Küche eine Handpumpe.“, erklärte er weiter.

 

Die neuen Eindrücke beschäftigten Fyngor sehr. Noch war er sich nicht sicher, was er von all dem halten sollte, aber seine Neugier ließ ihn vorerst bei Brog verweilen.

Nach einem rustikalen Abendessen gingen sie schlafen, doch der junge Drache bekam vor lauter Aufregung kaum ein Auge zu.

 

10. Eine schlaflose Nacht

 

Die vielen neuen Eindrücke seiner ersten Stunden außerhalb der Kristallhöhle hielten den jungen Drachen lange wach, der Vollmond tat sein Übriges dazu. Fyngor stellte den Stuhl an das kleine Fenster seiner Kammer, stützte seine Ellenbogen auf die Fensterbank und legte sein Kinn auf die verschränkten Hände. Das weißliche Licht des Erdtrabanten übte eine seltsame Anziehung auf ihn aus, die ihn traurig werden ließ. Eine einsame Träne löste sich aus dem linken Auge und rollte die Wange hinab. Mit dem Ärmel des übergroßen flauschigen Hemdes aus Brogs Bestand wischte Fyngor sich über das Gesicht. Irgendwann fielen ihm, so dasitzend, die Augen zu und er schlief ein. Als Brog nach ihm sah und den Jungen so vorfand, legte er ihn behutsam in das Bett und deckte ihn zu. Auch der Zwerg hatte Probleme, in dieser Nacht zur Ruhe zu finden.

 

Als der Morgen graute, ging Brog in seinem Nachthemd über den Hof, um das Pony Alfred und die Hühner zu versorgen. Nach dem Besuch des „Häuschens“ wusch der Zwerg sich ausgiebig an der Wasserpumpe und erfrischte sich nach der schlaflosen Nacht. Zurück im Haus zog er sich an und begann, ein ausgiebiges Frühstück vorzubereiten.

Brog feuerte den alten Kohleherd in der Küche an und stellte eine gusseiserne Pfanne darauf, in die er Butterschmalz gab. Aus der Speisekammer holte er Eier und Speck, während das Schmalz langsam in der Pfanne schmolz. Den Speck schnitt er mit einem scharfen Messer in dünne Scheiben, die er langsam braten ließ. In eine kleine Schüssel schlug er sechs Eier auf und verquirlte diese mit Salz, Pfeffer und gehacktem Schnittlauch. Als der gebratene Speck fertig war, schüttete er die Eiermasse in die Pfanne und bereitete das Rührei. Dann setzte der Zwerg noch einen Kessel mit Wasser auf, um Tee zu kochen.

 

Der feine Duft von Gebratenem weckte Fyngor sanft aus seinen Träumen und beendete für ihn die viel zu kurze Nacht. Noch immer mit dem kuscheligen weiten Hemd bekleidet, folgte er dem köstlichen Geruch in die Küche. „Guten Morgen, junger Freund!“, begrüßte Brog den Jungen mit einem Lächeln und fügte hinzu: „Geh dich waschen und richtig anziehen, dann gibt es Frühstück.“

Fyngor gab der Weisung nach, trottete müde über den Hof zur Wasserpumpe und spritzte sich das kühle Nass ins Gesicht. Zurück in seinem Zimmer legte er die etwas zu großen Sachen an, die der Zwerg ihm am Vorabend bereitgelegt hatte. „Das hatte ich als Jüngling getragen.“, hatte er dabei gesagt. Der grobe Stoff war überraschend weich, genau wie das Hemd, und gefiel dem Drachen gut.

 

11. Trauer und Freude

 

Inzwischen hatte Brog in der Stube den Esstisch gedeckt. Das Rührei, Brot und Butter, Wurst und saure Gurken standen bereit, als Fyngor sich auf einen der vier Stühle setzte. Brog folgte kurz darauf mit der Teekanne und nahm dem Jungen gegenüber Platz.

„Greif zu und lass es dir schmecken. Kräuteraufguss kann ich neu machen, falls du mehr Durst haben solltest.“, munterte der Zwerg den Drachen auf.

„Wir haben in der letzten Nacht beide kaum geschlafen, also gehen wir es heute ruhig an. Ich überlege noch, was wir mit die anstellen sollen, junger Mann. Vielleicht hat Daril ja eine Idee. Um die Mittagszeit sollte er hier sein, wenn er mit der Post unterwegs ist. Bis dahin werden wir schon eine Beschäftigung finden.“, teilte Brog seine Gedanken mit.

Als Brog begann, sich am Tisch zu bedienen, beobachtete Fyngor ihn genau und tat es ihm nach. Er schenkte sich vom Tee ein und schmierte sich etwas unbeholfen ein Brot mit Leberwurst. Beherzt nahmen sie ihr erstes Mahl des Tages ein, der junge Drache mit einem sehr zufrieden wirkenden Gesichtsausdruck.

 

Der Postbote kam tatsächlich, wie Brog es vorhergesagt hatte, in der Mittagszeit an das Hoftor und läutete die Glocke. Der Hausherr schickte seinen Gast, das Tor zu öffnen. Daril hatte einen weiteren Brief mit einem grünen Siegel dabei, den Brog an sich nahm und schnell öffnete. Angestrengt las er den Inhalt und versank kurz in Schweigen, ehe er sich erklärte. „Walig ist von uns gegangen. Sein Steinkörper wird im Gedenkgarten aufgestellt.“, gab er tonlos bekannt. Die Zwerge nahmen sich kurz in die Arme. Daril bekundete sein Beileid: „Lass uns ihm bald die Ehre erweisen und sein Leben würdigen, indem wir ihn dort besuchen.“ Fyngor wusste nicht, worum es ging und sah die Männer mit fragendem Blick an. Brog tat einen tiefen, langen Atemzug und erklärte ihm, was es mit Walig auf sich hatte.

Auch Daril wirkte traurig, obwohl er Walig kaum gekannt hatte. „Aus Stein geboren, zu Stein geworden, heißt es bei uns. Wenn uns die Lebensgeister verlassen, versteinert der Körper eines Zwergs und wird so zu einer Statue, die von den Angehörigen in einen Gedenkgarten gebracht wird, der einem Friedhof der Menschen ähnelt.“, versuchte der Postzwerg eine Erklärung des zwergischen Lebenslaufes mit hilflosem Blick.

„Ich mache meine Mittagspause bei euch.“, entschied Daril und seine Hucke ließ eine große Brotdose in seine Hände schweben, die er auf den rustikalen Tisch neben der Haustür stellte und öffnete. „Ich habe mir Gedanken gemacht, wie wir dich beschäftigen könnten, junger Drache.“, plauderte der Postzwerg drauflos und teilte auch gleich seine Ideen mit: „Ich kann dich mit den Kindern des Dorfes bekannt machen. Die Schule der Menschen könntest du auch besuchen, falls du Interesse hast.“ Fyngor nickte eifrig und freute sich über die Vorschläge: „Ja, ich möchte gern die Kinder kennenlernen!“, platzte es förmlich aus ihm heraus. Die Zwerge lachten über diese offene Freude und Daril versprach, den Kindern des Dorfes von dem Neuzugang zu berichten.

Nach seiner kleinen Mahlzeit verabschiedete der Postbote sich von seinen Freunden und verließ den Hof, um seine Runde fortzusetzen.

 

12. Ein schöner Nachmittag

 

Es gab reichlich zu tun auf dem Hof, so wurde weder dem Zwerg, der hier schon lange lebte, noch seinem jungen Gast langweilig. Alfred musste gestriegelt werden, der das sichtlich genoss und sich mit Fyngor schnell anfreundete. Brog hackte Feuerholz und ließ den Jungen dabei helfen, es in der Scheune aufzuschichten. Am späteren Nachmittag erklang erneut die Glocke am Hoftor und mehrere Stimmen tuschelten aufgeregt.

Brog staunte nicht schlecht, dass am Eingang seines Grundstücks eine Schar Kinder neugierig auf den Hof lugte.

„Wir wollen den neuen Jungen kennenlernen, von dem der Postzwerg uns erzählt hat!“, gab Vanessa bekannt, die mutig genug war, dem als grummelig bekannten Zwerg den Grund für ihr Auftauchen zu nennen. Die anderen Kinder schauten etwas schüchtern drein, doch der alte Zwerg grinste nur und bat die Kinder, auf den Hof zu kommen. „Ich stelle euch Fyngor vor, aber habt Nachsicht mit ihm. Für ihn ist unsere Welt noch neu, er kommt nicht von hier.“, bat Brog um Verständnis und winkte den Jungen zu sich.

 

Seine rötlichen langen lockigen Haare ließen sich nicht leicht bändigen, weshalb er sie nun zum Pferdeschwanz gebunden trug. Einige Sommersprossen zierten die helle Haut seiner Wangen und betonten die grünen Augen, die einen roten Schimmer in sich trugen.

Selbstbewusst stand er vor den Kindern und sprach zu ihnen: „Ich bin Fyngor und wohne jetzt hier. Die Zwerge sind gute Freunde meiner Familie, die leider viel auf Reisen ist. Mein Geburtsort ist aber nicht weit weg von hier.“ Noch behielten der Drache und der Zwerg Fyngors wahre Natur für sich und was der Junge gesagt hatte, entsprach auch irgendwie der Wahrheit. Sie wollten weder die Kinder noch die anderen Dorfbewohner mit der Existenz eines Drachen verschrecken.

Ein dunkelhaariger Junge, der Max hieß, schlug vor, Verstecken zu spielen, womit sich alle johlend einverstanden erklärten. Elisa erklärte schnell die Regeln: „Durch Abzählen bestimmen wir den Fänger. Da Max das Spiel vorgeschlagen hat, zählt er ab. Der Fänger ruft dann ‚Versteckt euch!‘, dann zählt er laut bis zehn, dann ruft er ‚Ich komme!‘ und sucht dann nach den anderen Kindern. Wer nach fünfzehn Minuten nicht gefunden wurde, hat das Spiel gewonnen. Der Fänger bestimmt den neuen Fänger der nächsten Runde durch Abzählen. Alles verstanden?“ Alle Kinder nickten oder riefen „Ja!“, auch Fyngorn stimmte mit ein.

So verbrachten sie zusammen den gesamten Nachmittag, bis es dämmerte, auf Brogs Hof. Der Zwerg war solch wildes Treiben bei sich daheim gar nicht gewohnt, weshalb er sich in sein Haus zurückzog und dort die nötigen Arbeiten verrichtete.

Als es begann, dunkel zu werden, verabschiedeten sich die Kinder von ihrem neuen Spielkameraden und gingen nach Hause. Noch nie zuvor hatte Fyngor so viel Freude empfunden. Er zeigte ein sehr zufriedenes Gesicht beim Betreten der Stube, wo Brog bereits den Kamin angeheizt hatte. „Wenn du dich gewaschen hast, können wir zu Abend essen. Du hattest heute recht viel Spaß, scheint mir.“, freute sich der Zwerg.

Als der junge Drache an diesem Abend in sein Zimmer ging, schlief er sehr schnell ein, nachdem er sich in die Decke gekuschelt hatte.

 

13. Die Sorgen eines Drachen

 

Fyngor gewöhnte sich schnell an das Leben bei Brog und er lernte täglich neue Dinge von den Zwergen und den Kindern, die fast jeden Nachmittag zum Hof kamen. Mehrere Wochen vergingen so wie im Fluge für den jungen Drachen. Mit Max und Elisa verstand er sich besonders gut und er überlegte, ob er ihnen erzählen sollte, was er wirklich war.

Daril bemerkte, dass der Junge nachdenklicher wirkte als sonst und sprach ihn während einer seiner Mittagspause auf Brogs Hof an.

„Liegt dir etwas auf dem Herzen, Fyngor? Du wirkst seit einigen Tagen so nachdenklich. Gibt es etwas, was ich für dich tun kann?“, erkundigte sich der Postzwerg fürsorglich. Es dauerte, bis der Rotschopf begann zu reden, denn er überlegte sich seine Worte gut: „Ich habe hier Freunde gefunden. Es schmerzt mich, ihnen nicht die Wahrheit über mich zu erzählen. Aber es ist noch eine zweite Sache, die mich traurig stimmt. Ich muss zurück in die Höhle und nach meinen Brutgeschwistern sehen. Die Brutkammer gehört unserem Schwarm seit Ewigkeiten und ich bin der einzige von uns, der sich in der Nähe aufhält. Ich möchte meine Freunde gern mitnehmen und ihnen zeigen, wo ich herkomme.“

„Das kann ich nicht allein entscheiden.“, meinte Daril und holte Brog an den Tisch, den er über die Lage unterrichtete. Die Zwerge bereiten sich eine Weile, ehe sie zu einem Entschluss kamen. Brog sah Fyngor ernst an und sprach: „Wenn du dir das reiflich überlegt hast, kannst du deine Freunde einladen, mit uns die alte Mine zu besuchen. Womöglich kannst du sie auf dem Weg dorthin langsam darauf vorbereiten, wie es sich mit dir verhält. Ein Drache ist schon sehr besonders und einen zum Freund zu haben, bedeutet eine große Ehre.“ Er nickte kurz und gab das Wort an Daril weiter. „Ja, wir kommen mit, da Brog das Siegel am Eingang aufheben kann und wir als Zwerge uns im Berg besonders gut zurechtfinden. Ich werde ihnen deine Einladung übermitteln und die Eltern überzeugen, dass wir beiden Zwerge gut auf euch Kinder aufpassen werden.“

Damit war für Fyngor die Sache zufriedenstellend geklärt. Er hoffte, dass Elisa und Max Lust hatten, mit ihm zu kommen.

 

Der Postzwerg kannte die Kinder natürlich. Mit dem quirligen Mädchen verband ihn bereits ein kleines Abenteuer und Max fuhr ihm manchmal mit dem Fahrrad bei der Zustellung hinterher und unterhielt sich mit ihm.

Elisas Eltern hatten nichts gegen die Exkursion zur Mine einzuwenden, solange Daril mit von der Partie war. Der Vater von Max kannte den Zwerg bereits ganz gut, wollte es sich aber nicht nehmen lassen, seinen Sohn dorthin zu begleiten. Daril wollte Fyngors Meinung darüber wissen und erbat sich einen Tag Zeit von Max’ Eltern.

So ergab es sich letztendlich, dass drei Kinder und drei Männer eines schönen Sonntags im kühlen November eine Wanderung durch den Wald unternahmen. Eine Verschnaufpause legten sie am Aussichtspunkt beim Wasserfall ein, ehe sie den schmalen Pfad zur alten Kristallmine nahmen.

 

14. Die Wunder der Kristallhöhle

 

Die drei Menschen staunten sehr über die Magie, mit der Brog das Siegel vom Mineneingang entfernte und den Zugang ermöglichte. Besonders Max’ Vater wollte seinen Augen nicht trauen. „Dass es echte Magie wirklich gibt, habe ich bisher nicht für möglich gehalten.“, kommentierte Jens erstaunt. Daril ging voran, griff eine Grubenlampe, die er anzündete und reichte diese an den Menschen weiter, bevor er eine weitere zum Leuchten brachte, die er selbst trug. Für die Kinder waren die Gänge der Zwergenmine nicht zu niedrig, doch Jens musste sehr Acht geben, sich nicht den Kopf zu stoßen.

Nachdem Brog den Eingang wieder verschlossen hatte, begab er sich an die Spitze der Gruppe und führte sie durch die Stollen und Tunnel. Ihm folgte Max, dann kam Fyngor. Jens, Elisa und Daril bildeten die zweite Hälfte der Schlange.

Die Zwerge waren mit Handpickeln ausgerüstet, das Gestein zu bearbeiten, falls es nötig werden sollte. Am Ende des unfertig wirkenden Stollens machte Brog den Zugang zur Höhle sichtbar und zwängte sich durch das Loch im Fels. Auf allen vieren krochen sie nacheinander hindurch. Mit großen Augen bestaunten die Kinder das bunte Leuchten der Kristalle, auch der Vater war fasziniert von dem, was sich im darbot. Fyngor ging zielstrebig voran. Hier war sein Zuhause, selbst die Zwerge waren nie tiefer in die Kaverne eingedrungen und folgten deshalb gemeinsam mit den drei Menschen dem Jungen.

 

Die Höhlendecke schwand allmählich und vor der Gruppe zeigte sich das wahre riesige Ausmaß des Hohlraums innerhalb des Berges. Alles um sie herum schien aus leuchtenden und glitzernden Formationen zu bestehen. Doch was war das? Elisa fielen die Dracheneier als erste auf. „Was sind das für Dinger? Sie sehen aus wie Eier.“ Fyngor drehte sich zu den anderen um. In seinen Augen spiegelte sich das Schillern der Kristalle. „Ich muss mich um meine Sippe kümmern. Einige Zeit lang kann man Dracheneier sich selbst überlassen, doch benötigen sie auch ab und an etwas Pflege. Schaut euch ruhig um.“, versuchte der junge Drache die Menschen behutsam eine Erklärung.

Max verstand und hielt sich den Mund mit beiden Händen zu, um nicht laut zu rufen, dann beruhigte sich der Junge. „Du willst uns damit sagen, dass wir in einer Drachenhöhle sind.“, stellte er fest. Elisa musste schwer schlucken, als es ihr klar wurde, wo sie sich befanden, dennoch wirkte sie sehr gefasst. „Fyngor ist ein Drache, wow!“, war ihre Reaktion. Jens verstand gar nichts mehr, sodass er sich auf den Boden setzte und die beiden Zwerge ungläubig ansah. „Magie und Drachen. Mein Leben wird zunehmend interessanter.“, brachte der Mann heraus.„Elisa hat Recht. Ich zeige es euch. Außerdem kann ich mich in menschlicher Gestalt nicht richtig um meine Artgenossen kümmern.“, bestätigte Fyngor.

In der Höhle wurde es leise, man hörte nur noch das gleichmäßige Atmen der Anwesenden. Fyngor schloss seine Augen und konzentrierte sich. Zuerst färbte sich seine Haut zunehmend rot, erste Schuppen zeichneten sich auf seinem Gesicht ab, das mehr und mehr echsenähnlicher wurde. Sein Körper wuchs in die Länge, ledrige Flügel schoben sich aus dem Rücken und ein Schwanz wuchs ihm.

 

15. Drachenbrut

 

Die Verwandlung dauerte nur wenige Minuten, doch war sie für die fünf Zuschauer ein einzigartiges Erlebnis. Ein warmer Luftstrom strich ihnen um die Wangen. Mit dunkler Stimme sprach der Drache: „Ich vertraue euch, deshalb habe ich euch heute hier hergebracht. Ich möchte euch nicht mehr verheimlichen, wer und was ich wirklich bin.“

Von der Schnauze bis zur Schwanzspitze maß der rote Drache gute sechs Schritte, obwohl er noch längst nicht ausgewachsen war. Aus seinen Nüstern quoll schwarzer Rauch und eine purpurne Flamme züngelte aus seinem schnabelartigen Maul. Fyngor wandte sich den auf dem Höhlengrund verstreuten Dracheneiern zu und wärmte sie behutsam mit seinem Feuer. Seine Begleiter sahen seinem Tun einfach schweigend staunend zu. Der junge Drache durchquerte wachen Blickes die Kristallhöhle, damit ihm keines der Eier entging.

 

Mit seiner wohltönenden Stimme wandte Fyngor sich an die Menschen und Zwerge: „Willkommen in der Brutkammer der roten Drachen. Ich wurde von meinem Schwarm zum Brutpfleger bestimmt und kümmere mich daher um meine Generation. Es können Jahrhunderte vergehen, ehe aus einem der Eier ein Drachling schlüpft. Die magischen Kristalle in dieser Höhle nähren sowohl die Eier als auch die jungen Drachen, bis sie die Höhle verlassen können. Kommt mit, ich möchte euch etwas zeigen.“, forderte er die anderen auf. Er ging zielstrebig durch die beleuchtete Kaverne und zeigte mit der linken Pranke aufwärts. Da erkannten seine Freunde, dass die Höhlendecke weit oben einen großen Riss aufwies, durch den auch ein ausgewachsener Drache mit ausgebreiteten Schwingen passen würde. „Von außen ist die Spalte nicht zu erkennen, da meine Vorfahren sie mit einem Zauber verborgen haben.“, stellte Fyngor klar.

Daril begann hinter vorgehaltener Hand zu lachen: „Du konntest als jederzeit die Höhle verlassen? Ich dachte, du wärst hier eingeschlossen gewesen, ehe wir dich mitgenommen hatten.“ In den schlangenhaften Augen des Drachen schien es kurz aufzuleuchten. „Ich fühlte mich nach all der Zeit hier unten etwas einsam. Als vor einiger Zeit schon einmal Leute von der Mine aus hierhin durchbrachen, wurde es schnell still und ich schlief wieder ein, nachdem ich meine Pflichten erledigt hatte. Als ihr beide vor einigen Wochen aufgetaucht wart, hatte ich mich gerade wieder um die Brut gekümmert und wollte mich gerade schlafen legen. Danke, dass ihr mich mitgenommen habt. Es ist sehr schön, Freunde zu haben.“Seine letzten Worte richtete er an Max und Elisa, die ihn glücklich anstrahlten.

Max’ Vater meldete sich zu Wort. Seine Unsicherheit war deutlich erkennbar, aber er fasste sich ein Herz. „Ich bin mehr als beeindruckt. Noch kann ich mir nichts von alldem erklären, aber ich akzeptiere, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als ich jemals dachte. Würde ich davon anderen Menschen erzählen, würde mir bestimmt niemand glauben, also behalte ich die Geschichte für mich. Ich vertraue dir, Fyngor, weil du meinem Sohn und mir die Wahrheit über dich gezeigt hast.“, gestand Jens dem Drachen vor der Gruppe.

 

16. Der Flug mit dem Drachen

 

„Ich bin hier fertig. Mein Schwarm ist versorgt und ich kann die Eier wieder ruhigen Gewissens allein lassen. Einmal im Monat sollte ich nach ihnen sehen. Ich würde mich sehr freuen, wenn mich jemand von euch beim nächsten Mal begleiten könnte. Wir können auch den kurzen Weg nehmen.“, sagt Fyngor mit einem Zwinkern. Jens nickten den beiden Kindern zu, als der Drache sich flach auf den Boden drückte. Max und Elisa kletterten auf den schuppigen Rücken und suchten Halt. Brog warf ihnen das Ende eines Seiles entgegen, welches er unter den Vorderbeinen Fyngors entlangführte. Max hielt es fest in seiner linken Hand. Das andere Ende nahm der Junge mit der Rechten. Elisa hielt sich an ihm fest, als Fyngor seine Schwingen ausstreckte.

„Wir sehen uns auf dem Hof, Kinder. Sei bitte vorsichtig, Fyngor.“, verabschiedeten der Mensch und die Zwerge sich von den startbereiten Kindern und dem Drachen, der begann mit den großen ledrigen Flügeln zu schlagen. Langsam hoben sie vom Höhlenboden ab. Nach zwei weiteren starken Flügelschlägen glitten sie dem Spalt im Berg entgegen und entfernten sich. Daril, Jens und Brog machten sich zu Fuß auf den Rückweg durch die Zwergenmine und versiegelten dabei gewissenhaft die Zugänge.

 

Kaum hatten sie die Kristallhöhle hinter sich gelassen, verschwanden die Konturen des roten Drachen und es sah aus, als würden die Kinder ohne Pegasus durch die Luft reiten. „Ein Drache würde zu viel Aufmerksamkeit erregen.“, vernahmen Max und Elisa in ihren Gedanken mit Fyngors Stimme. Sie sausten durch die Lüfte, wobei der kühle Herbstwind an ihnen zerrte. Doch das tat dem Spaß, den sie hatten, keinen Abbruch. Sie genossen den kurzen Flug, der sie über die bunten Baumwipfel des Waldes und über die Stoppeläcker der Umgebung trug. Langsam glitten sie kreisend tiefer, bis sie über Brogs Hof flogen. Fyngor flatterte mit seinen Flügeln und setzte behutsam auf. „Das war phänomenal!“, rief Max, als er vom Rücken des Drachen rutschte. Elisa fragte: „Können wir das wieder machen?“ Sie schwang das linke Bein über und machte sich lang, ehe sich sich behutsam fallen ließ und auf den Füßen landete. Fyngor nahm wieder sein menschliches Aussehen an, eher er sich wieder sichtbar machte.

Er grinste seine Freunde an, die ihn in die Arme schlossen. „Du bist toll. Danke, dass du uns das heute gezeigt hast.“, sagte Elisa voller Freude zu ihm. Max versprach: „Dein Geheimnis ist bei uns sicher.“

Bis die Erwachsenen wieder am Hof waren, vergingen noch einige Stunden, doch die drei Kinder wussten sich zu beschäftigen. Alfred und die Hühner mussten versorgt werden,außerdem deckten sie den schweren Holztisch vor der Haustür für eine kleine Brotzeit ein. Die drei Männer waren ihnen für die Stärkung sehr dankbar und freuten sich darüber. Bis zur Abenddämmerung unterhielten sie sich noch, dann machten sich Daril und die drei Menschen auf den Heimweg. Der Postzwerg brachte Elisa nach Hause, ehe er zu seiner Wohnhöhle ging, die im Nachbarort lag.

 

17. Dorfleben

 

Einmal im Monat machte Fyngor sich auf den Weg zur Kristallhöhle, wie er angekündigt hatte. Einmal machte er mit einem der Zwerge eine Wanderung dorthin, ein anderes Mal flog er mit seinen Freunden durch den Felsspalt hinein.

Das Leben unter den Menschen gefiel dem jungen Drachen und die Nachmittage mit den Dorfkindern gefielen ihm immer sehr. Bald beschloss der junge Drache, mit ihnen die Schule zu besuchen, um mehr über die Menschen und die Welt zu lernen.

 

Daril und Brog begaben sich mit ihm zur Schule, die in einem der Nachbardörfer war, und redeten mit dem Direktor, um Fyngor anzumelden. Zum Glück galten für Zwerge andere Regelungen als für die Menschen, was es einfacher machte. Also trug Brog in das Formular folgendes ein:

Name: Fyngor

Adresse: Wiesenpfad 4

Status: Mündel von Brog Bachkiesel

‚Das sollte reichen, mehr mussten die Menschen nicht wissen.‘, dachte sich der Zwerg. Der Schulleiter wollte sich schon beschweren, besann sich aber eines Besseren, denn mit einem Zwerg wollte man nicht in Streit geraten.

 

So konnte Fyngor nach den Sommerferien mit Max und Elisa gemeinsam die Schule besuchen. Morgens wurden die Kinder des Dorfes mit einer Kutsche dorthin gebracht und mittags nach dem Unterricht wieder abgeholt.

 

Das Dorfleben verlief in ruhigen Bahnen und Daril der Postzwerg brachte den Leuten täglich, bei Wind, Sonne und auch Regen, ihre Briefe und Pakete.

 

- ENDE -

 

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